Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 29. Das geistige Leben in Italien 
2l3 
gegen jemand durch die Schilderung einschüchtern, wie die Seele (des 
Sünders) in ewiger Finsternis und Schmach verharren und nie mehr 
zu ihrem Urquell, dem ewigen Lichte, emporsteigen werde, so hätte 
er dafür nichts als ein Lächeln übrig“. Der Verfasser ist sich dessen 
wohl bewußt, daß er hierbei in Widerspruch mit den talmudischen 
Aussprüchen gerät, und so verweist er die Leser darauf, daß nicht 
jeder Ausspruch für bare Münze genommen werden dürfe, daß man 
vielmehr die Dogmen des Glaubens von den in das religiöse Schrift 
tum eingedrungenen volkstümlichen Glaubensformen streng zu unter 
scheiden habe. Immerhin hütet er sich davor, auch biblische Er 
zählungen, wie etwa die Geschichte des Propheten Jona, gleich Se- 
rachia Chen den nur didaktischen Fabeln zuzuzählen, so daß zwischen 
den beiden Denkern aus solchen Anlässen manchmal eine schriftliche 
Polemik entbrannte. 
In seinen letzten Lebensjaliren mußte Hillel einen neuen Anschlag 
der Obskuranten auf das Andenken des Maimonides abwehren. Im 
Jahre 1288 unternahm nämlich ein gewisser Salomo Petit, ein aus 
Nordfrankreich stammender Glaubenseiferer, eine Rundreise durch 
Europa, um überall gegen die jüdischen „Ketzer“, die Freidenker, 
zu hetzen. In Deutschland wurde er mit offenen Armen empfangen 
und von den Rabbinern mit Empfehlungsschreiben an die Gemeinde 
häupter in den anderen Ländern ausgerüstet. Als er jedoch nach 
Italien kam und dort gegen die Lehre des Maimonides zu predigen 
begann, stieß er auf den energischen Widerstand des Hillel. Dieser 
sandte aus Forli an seinen Freund Maestro Ga jo, den schon erwähnten 
päpstlichen Leibarzt, ein Schreiben, in dem er ihm zuredete, der Agi 
tation in der römischen Gemeinde einen Riegel vorzuschieben. Hillel 
erinnerte hierbei an die Geschichte des ersten antimaimonistischen 
Feldzuges in Spanien und der Provence (in den dreißiger Jahren des 
XIII. Jahrhunderts), der damit endete, daß die dominikanische Inqui 
sition von der Sache Wind bekam, so daß „sich die Asche des verbrann 
ten ,Buches der Erkenntnis* und des ,Führers* mit der der Talmud 
bücher vermischte**. Überdies versandte Hillel ein Rundschreiben an 
die Gemeinden Ägyptens und Palästinas, wohin sich Salomo Petit in 
seiner Missionsangelegenheit weiterbegeben hatte (unten, § 67), und 
machte ihnen den Vorschlag, nach Venedig, Genua oder Marseille eine 
gemeinsame Konferenz der morgen- und abendländischen Rabbiner 
einzuberufen, um die bedrohte Autorität des Maimonides vor jedem
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.