Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Das französische Zentrum und die englische Kolonie 
heit unseres eigenen Glaubens bestätigt“ 1 ). Zehn Jahre später hatten 
sich jedoch die judenfeindlichen Gefühle des Innocenz bereits so sehr 
verschärft, daß er nunmehr gegen die Juden grausame Gewaltmaß 
nahmen forderte. In einem Sendschreiben an den Grafen von Nevers 
(1208), der keinen Anstand nahm, die Juden zu begünstigen, heißt 
es wörtlich: „Die Juden sind gleich dem Brudermörder Kain dazu 
verdammt, als Flüchtlinge und Landstreicher auf der Erde umher 
zuirren und voll Scham ihr Antlitz zu verhüllen. Die christlichen 
Herrscher dürfen sie nie und nimmer begünstigen, sondern müssen 
sie vielmehr der Sklaverei preisgeben. Nicht recht handeln daher jene 
christlichen Herrscher, die den Juden in ihre Städte und Dörfer Ein 
laß gewähren und ihre Wuchererdienste für die Herauspressung von 
Geld aus der christlichen Bevölkerung in Anspruch nehmen. Geschieht 
es doch, daß sie (die Herrscher) Christen wegen Zahlungsversäum 
nissen jüdischen Gläubigern gegenüber festnehmen lassen, diesen aber 
gestatten, christliche Burgen und Güter als Pfand zu nehmen und, 
was das schlimmste ist, es dulden, daß die Kirche auf diese Weise 
(durch den Übergang der Ländereien in jüdischen Besitz) ihres Zehn 
ten verlustig gehe“. Mit den gleichen Vorwürfen überhäuft Inno 
cenz III. auch den französischen König Philipp August, der zwecks 
Auffüllung seines Staatsschatzes die vertriebenen Juden in seinen 
Herrschaftsbereich zurückberief. Der Papst gibt seiner Entrüstung 
darüber Ausdruck, daß die Juden in Frankreich über ihnen verpfän 
dete oder von ihnen gepachtete Kirchengüter verfügen und in ihrem 
Haushalt unangefochten christliche Dienerschaft beschäftigen. Beson 
ders regt er sich über die Nachricht auf, daß die Juden in einer der 
französischen Städte (Sens) eine Synagoge erbaut hätten, deren Kuppel 
den Giebel der benachbarten Kirche überrage, und daß sie bei Ver 
richtung ihrer Andacht so laut seien, daß dadurch der Kirchengottes 
dienst gestört werde. Ferner vermag der Papst nicht seine Entrüstung 
darüber zu unterdrücken, daß die Juden in der Karwoche gleichsam 
zur Verhöhnung der Anbeter des Gekreuzigten in den Straßen lust 
wandeln. Er ist sogar geneigt, dem Gerede über die geheimnisvolle 
1 ) Unter den früheren Päpsten pflegte man die Schutzbulle durch die Worte: 
„Sicut Judaeis non debet esse licentia“ (S. Bd. IV, § 5i) einzuleiten. Die Bulle 
des Innocenz beginnt hingegen mit dem Satz: „Licet perfidia Judaeorum sit 
multipliciter improbanda, quia tarnen per eos fides nostra veraciter comprobatur, 
non sunt a fidelibus graviter opprimendi“.
	        
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