Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 25. Die Gemeindeverfassung und der Rabbinismus 
verhelfen wollte, vernahm er die folgenden stolzen Worte: „Ich lehne 
es ab, die Vollmacht, unserem Schöpfer zu dienen, aus deiner Hand 
zu empfangen!“ Die Funktionen der Gemeindeversammlungen und 
der Räte werden in dem Sendschreiben eines führenden Rabbiners 
jener Zeit (des R. Meir aus Rothenburg) in folgender Weise um 
schrieben: „Sie haben Älteste und Kantoren zu wählen, Gabbaim (Ver 
waltungsbeamte) zu ernennen, Wohltätigkeitskassen zu gründen, für 
die Erbauung oder Reparatur der Synagoge zu sorgen sowie Baulich 
keiten für Hochzeitsfeiern und für (öffentliche) Arbeiten zu erwer 
ben“. Die Gemeindevorsteher pflegten in der Regel für die Frist von 
drei Jahren gewählt zu werden. 
Die zuerst in Frankreich im XII. Jahrhundert üblich gewordenen 
Landeskonferenzen der Rabbiner und Gemeindevertreter (Band IV, 
§ 38) traten im folgenden Jahrhundert zu wiederholten Malen auch 
in Deutschland zusammen. Es haben sich Nachrichten über solche 
Vertretertage der rheinländischen Gemeinden, namentlich der von 
Speyer, Worms und Mainz erhalten. Auf diesen Konferenzen wurden 
„Takanoth“ oder Verordnungen in betreff der religiösen Praxis, des 
Familienrechts und der Gemeindeangelegenheiten beschlossen, insbe 
sondere aber die Beziehungen der Juden zu der christlichen Umwelt 
geregelt. Die Mainzer Versammlung vom Jahre 1220, an der sich 
über zwanzig Abgeordnete, darunter einige hochangesehene Rabbiner 
beteiligten, wandte ihre Aufmerksamkeit vor allem dem folgenden 
Übelstand zu: wohlhabende Juden, die über Beziehungen bei Hofe 
verfügten, pflegten sich Steuerfreiheit zu erwirken, so daß die Ab 
gabenlasten um so schwerer auf die unbemittelten Gemeindemitglieder 
drückten; die Versammlung traf nun die Verfügung, daß auch die 
von den Mächtigen begünstigten Juden gleich all ihren Stammes 
genossen an den öffentlichen Lasten teilnehmen sollten. Überdies 
stellte die Versammlung jedem, der in Umgehung der geltenden 
Wahlordnung seine Beförderung zu irgendeinem Gemeindeamt bei 
den christlichen Behörden durchsetzen würde, den Gherem in Aus 
sicht. Daneben verpflichtete die Versammlung alle Juden zu pein 
lichster Rechtschaffenheit in Geldgeschäften mit Christen und unter 
sagte aufs strengste, falsche oder beschnittene Münzen in Verkehr 
zu bringen; besonders scharf wurde die Angeberei verdammt, dieser 
Krebsschaden jeder unterjochten Gemeinschaft. Ein Jude durfte den 
Stammesgenossen nur unverzinsliche Darlehen gewähren, konnte sich
	        
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