Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 24. Österreich, Böhmen und Ungarn 
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so unbeliebten „privilegierten Wucherer“ zeitigen konnten. Im Gegen 
satz zu dem Kreditgeschäft, das den Juden somit in weitestem Maße 
zugänglich gemacht worden war, wurde ihnen der Zutritt zum 
Warenhandel und zum Gewerbe durch die in Aufstieg begriffenen 
Organisationen der Bürgerschaft, durch die Kaufmannsgilden und 
Zünfte, immer mehr verbaut. 
Herzog Friedrich der Streitbare, dem die jüdischen Finanzmänner 
bei allen seinen Kriegsunternehmungen treu zur Seite standen, fand 
im Jahre 1246 im Kriege mit dem Ungarnkönig Bela IV. den Tod. 
Zum österreichischen Herzog wurde durch die Stände der Markgraf 
von Mähren, der nachmalige böhmische König Ottokar II., erwählt 
(i2Öi). Die Juden hatten sich inzwischen in Böhmen von den schwe 
ren Heimsuchungen der ersten Kreuzzüge längst erholt (Band IV, 
§37) und die Gemeinden in Prag sowie in den anderen böhmischen 
Städten erfuhren durch den Zustrom von Auswanderern aus Deutsch 
land einen bedeutenden Zuwachs. Als irreguläre Kreuzfahrerbanden 
den Versuch machten, die jüdischen Gemeinden zu überfallen, trat 
ihnen König Wenzel I. (i235—12 53) mit aller Entschiedenheit ent 
gegen. Während eines dieser Überfälle ließ er unter die Juden Waffen 
verteilen, worauf sie den Mordbuben einen gehörigen Denkzettel ga 
ben. Der Sohn Wenzels, Ottokar II. (1253—1276), der noch bei 
Lebzeiten seines Vaters Herzog von Österreich geworden war, ver 
einigte nach dessen Tode unter seinem Zepter ein weitausgedehntes 
Reich, das Böhmen, Mähren, Österreich und die Steiermark umfaßte. 
Die Großmachtstellung züchtete kriegerischen Geist: es galt, die 
Reichsgrenzen vor den Nachbarn, vor Ungarn, Deutschland und Polen 
zu schützen. So war denn Ottokar noch mehr als sein Vorgänger auf 
dem österreichischen Throne auf die Dienste jüdischer Geldgeber und 
Steuerpächter angewiesen. Die Folge war, daß er die Juden in den 
ihm untergebenen Ländern mit einem Freibrief bedachte, der an Weit 
herzigkeit sogar das von Herzog Friedrich verliehene Statut übertraf 
(1254, erneut bestätigt 12 55 und 1268). Von den neuen, durch Otto 
kar verkündeten Privilegien war für jene Zeit die folgende Bestim 
mung von besonderer Bedeutung: „In Übereinstimmung mit den Be 
schlüssen des Papstes und im Namen des Heiligen Vaters — so ließ sich 
der König vernehmen — untersagen wir es aufs strengste, die in un 
serem Reiche wohnhaften Juden wegen Gebrauches menschlichen Blu 
tes zu belangen, da sie kraft ihres Gesetzes den Genuß jeglichen Blu
	        
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