Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIII. Jahrhundert 
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ihre Schutzlosigkeit in schmerzlichster Weise zu spüren. Aus einem 
ganz geringfügigen Anlaß (einem jüdischen Jüngling, der zum Chri 
stentum übertreten wollte, wurden von seinen Eltern und Freunden 
Hindernisse in den Weg gelegt) brach zwischen Juden und Christen 
ein Streit aus, der tags darauf eine Judenhetze nach sich zog: die 
in Raserei geratenen Christen drangen in die Häuser der Juden ein 
und machten etwa 180 von ihnen nieder. Voll Verzweiflung steckten 
die Juden ihre Häuser eigenhändig in Brand und das auf die Nachbar 
straßen übergreifende Feuer legte die Hälfte der Stadt in Asche. 
Manche der Überfallenen, insbesondere Frauen, entrannen nur da 
durch dem sicheren Tode, daß sie in die Taufe einwilligten. In 
zwischen hatten sich die Mongolen nach Ungarn gewandt, die Ge 
rüchte von dem jüdischen Verrat wurden gegenstandslos, und Fried 
rich II. zog nun die Frankfurter Bevölkerung wegen der Niedermetze- 
lung seiner Kammerknechte zur Verantwortung. Da er indessen selbst 
durch seine italienischen Sorgen viel zu sehr in Anspruch genommen 
war, beauftragte er mit der Untersuchung der verübten Untaten sei 
nen jugendlichen Sohn Konrad, den nominellen Gebieter Deutsch 
lands. Die Ermittlung zog sich mehrere Jahre hin und endete mit der 
Begnadigung sämtlicher Angeklagten. 
Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei all diesen Zusammenstößen 
auch wirtschaftliche Motive mitspielten, doch war die wirtschaftliche 
Rivalität für die Gestaltung der christlich-jüdischen Beziehungen in 
Deutschland im XIII. Jahrhundert bei weitem noch nicht so aus 
schlaggebend, wie sie es in den folgenden Jahrhunderten werden 
sollte. Der Aufstieg der Städte und der Bürgerschaft ging im feuda 
len Deutschland nur sehr langsam vor sich und so machte sich die 
Konkurrenz des jüdischen Händlers noch nicht in ihrer ganzen 
Schärfe fühlbar. Die neu entstehenden geschlossenen Organisationen, 
die Handwerkerzünfte und die Kaufmannsgilden, drängten die deut 
schen Juden nach und nach auf das Gebiet des Geldhandels zurück, 
aber auch hier waren ihnen keine so weitgehenden Entfaltungsmög 
lichkeiten geboten wie ihren reichen Stammesgenossen in Frankreich 
oder England. Sie pflegten Darlehen gewöhnlich gegen Unterpfand 
und nur auf kurze Fristen zu gewähren, was zwar das Risiko des 
Gläubigers, aber auch die Höhe des Zinsfußes verringerte. Diese 
wurde durch Verfügungen der lehensherrlichen und städtischen Be 
hörden reguliert. Ein im Jahre 1255 in Mainz abgehaltener Städtetag
	        
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