Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§17. Der Kampf gegen weltliche Wissenschaft 
ziemenden Bescheidenheit die ihm zugemutete Einmischung in die 
Angelegenheiten der provenzalischen Gemeinden abzulehnen: der An 
trieb müsse, meinte er, von den dortigen Rabbinern selbst ausgehen. 
Hierauf ließ Abba-Mari seinem ersten Schreiben ein zweites folgen: 
es gelte, keine Zeit zu verlieren, die Irrlehren griffen immer weiter 
um sich, die Allegoristen verwandelten die Geschehnisse der Heiligen 
Schrift in abstrakte Symbole, die Jugend predige hemmungslos ihre 
Ideen in den Synagogen und in die Klänge der Davidspsalmen misch 
ten sich Reden eines Plato und Aristoteles. Es ist unsere Pflicht — 
ruft Abba-Mari aus — die schädliche Ideen verbreitenden ketzerischen 
Bücher „zu vernichten, zu verbrennen und auszurotten“, auch wenn 
deren Verfasser die Larve der Frömmigkeit zur Schau trügen. 
In seinem zweiten Antwortschreiben erklärt sich Raschba mit 
diesen Gedankengängen durchaus solidarisch: auch er erblickte im 
Allegorismus eine schwere Gefahr, da Menschen, für die Abraham und 
Sara, die Urahnen der Nation, zu bloßen Symbolen der Materie und 
Form verblaßt seien, auch mit der nationalen Religion innerlich be 
reits gebrochen hätten: „sie sind nicht Nachfahren Abrahams, nicht 
einmal Esaus und Ismaels (also weder Juden, noch Christen, noch 
Muselmanen), sondern stammen von der aus der Verbindung der 
Lilith (der Urmutter der Dämonen) mit Adam entsprungenen Brut“. 
Zugleich erteilte Raschba von neuem den Rat, für den Kampf gegen 
die Ketzerei die an Ort und Stelle wirkenden Gesinnungsgenossen zu 
gewinnen, wobei er die Führer der provenzalischen Gemeinden auch 
von sich aus zu beeinflussen suchte. So wandte er sich mit einem Hir 
tenbrief an eines der angesehensten Mitglieder der Gemeinde von Per- 
pignan, Don Crescas Vidal, in dem er diesen zum Kampfe gegen die 
Ketzer aufrief, die, wie er sich ausdrückte, „die griechischen Philo 
sophen zu dem Range von Propheten erhoben, die wahren Propheten 
aber zu Fabeldichtern herabgesetzt haben“. Als es Raschba zu Ohren 
gekommen war, daß der Wortführer des Allegorismus, Levi ben 
Chaim, in Perpignan im Hause des reichen Mäzens Samuel Su- 
lami Zuflucht gefunden habe, machte der Rabbiner von Barcelona 
diesem in einem besonderen Schreiben scharfe Vorhaltungen wegen der 
Begünstigung der Ketzerei und verlangte, daß er dem Ketzer sein Haus 
verbiete. Alle Beschwichtigungsversuche des Mäzens und des Levi ben 
Chaim selbst vermochten Raschba nicht milder zu stimmen. Dennoch 
zögerte Sulami eine Zeitlang, dem mittellosen Philosophen seine Hilfe 
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