Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Periode der Kolonisierung 
ten sie sich neben den Griechen oder den „Syrern“ mit der Einfuhr 
von morgenländischen Waren: von Spezereien, Seide, Papyrus und 
Edelmetallen; diese Plätze bildeten zugleich die Hauptmärkte für den 
Sklavenhandel, den Handel mit aus den entfernten Gegenden Gal 
liens und Germaniens geholten Arbeitskräften. Viele wohlhabende Ju 
den treten überdies als Pächter der Staatszölle (telonearii) auf, stehen 
als Finanzagenten oder Warenlieferanten in den Diensten der Könige 
und der Lehensherren, der weltlichen und geistlichen Würdenträger, 
und beteiligen sich auch an Kreditgeschäften. Allein auch in dieser 
Zeit lag anscheinend ein Teil der jüdischen Bevölkerung der Land 
wirtschaft ob und trieb auf eigenem oder auf gepachtetem Boden 
Acker- und Weinbau. In den Küstenstädten und in den großen Fluß 
hafenorten waren jüdische Schiffsherren, die gleich den „Navicula- 
riern“ in Alexandrien (Band III, § 37) Personen- und Warenbeför 
derung betrieben, durchaus keine Seltenheit. 
Im allgemeinen lebten die Juden an den Orten, wo die Landesbe 
völkerung nicht von den Eiferern der streitbaren Kirche gegen die 
„Ungläubigen“ aufgehetzt wurde, mit ihren Nachbarn in Frie 
den und Eintracht. In den Gegenden, wo es einerseits das Hei 
dentum der Dorfbewohner und andererseits die arianische Ket 
zerei zu bekämpfen galt, wurde der Erfolg der katholischen Mis 
sionstätigkeit nicht selten durch die Juden vereitelt. Ihr Spott 
über den kirchlichen Aberglauben, über die Anbetung der Hei 
ligen, den Glauben an wundertätige Reliquien und Heiligenbilder, 
durch die die Missionäre viel eher als durch dogmatische Glau 
bensprinzipien die Seelen in ihren Bann zu zwingen wußten, 
übte oft eine vernichtende Wirkung aus. Voll Empörung berich 
tet z. B. der Bischof Gregor von Tours über den folgenden Vorfall: 
In Bordeaux traf einst ein Jude den dortigen Presbyter Lupus, als 
dieser sich zur Kirche des heiligen Martin begab, und fragte ihn, 
warum er gerade diese Kirche aufsuche. Lupus erwiderte, er leide 
bereits seit einigen Tagen an einem Fieber und hoffe nun, durch die 
Berührung der Reliquie des heiligen Martin (die damals in ganz 
Gallien als heilspendend galt) von seinem Leiden befreit zu werden. 
Der Jude versetzte aber: Wie könnte dir Martin wohl helfen! Ist er 
doch unter einer Erddecke begraben und zu Staub geworden; einem 
Lebenden kann durch einen Toten nicht geholfen werden. Die Ge 
schichte soll nun nach Gregor das folgende erbauliche Ende genom-
	        
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