Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Morgenland im Zeitalter der Kreuzzüge 
Ruhmes. „Einst die Zierde der Welt, eine alte Herberge der Gaonen 
und Weltweisen, ist es (Bagdad) nun seiner Alten beraubt und sieht 
nur Grünschnäbel durch seine Straßen wandern; weg ist das Mehl, 
und nur die Kleie ist übriggeblieben, fort sind die Frommen, und 
nur die Hetzer sind noch am Orte, die Löwen sind tot, und ihren 
Platz halten Füchse besetzt“. Ein viel regeres gesellschaftliches und 
literarisches Leben fand der Reisende in Aleppo und Damaskus vor. 
Und in der Tat lag das Kalifat von Bagdad schon in den letzten Zü 
gen. Der Kalif Al-Nasir rief gegen seine persischen und turkestani- 
schen Feinde die Hilfe der Mongolenhorden des Tschingis-Chan an, 
und bald war ganz Asien von den Barbaren überflutet. Die letzten 
Kalifen standen bereits unter der Botmäßigkeit der Mongolen, und im 
Jahre i2 5o mußte sich ihnen auch Bagdad ergeben. 
So nahm nach fünfhundertjährigem Bestehen das Abbassidenkali- 
fat ein Ende, und zusammen mit ihm fand auch eine bedeutsame 
Periode der jüdischen Geschichte ihren Abschluß. Die Barbaren 
fluten, die über der Kultur des Bagdader Kalifats zusammenschlugen, 
spülten auch die in diesem Herrschaftsbereiche des Islam erstandenen 
Pflanzstätten des jüdischen geistigen Lebens weg. Zwar haben sich 
in Babylonien, Persien und Mittelasien hier und da jüdische Gemein 
den noch erhalten, zwar hielten sie noch an ihrer alten Gemeindever 
fassung fest, und die Nachkommen der Exilarchen führten an man 
chen Orten (in Damaskus, Aleppo) nach wie vor die Titel „Nassi“ 
und „Rosch-Gola“, doch war dies alles nur ein elender Überrest der 
ehemals blühenden Verwaltungsorganisation. Babylonien wird gleich 
sam von einem Starrkrampf befallen, und die lebendigen Kräfte der 
morgenländischen Juden wandern für eine Zeit nach Ägypten ab. 
§ 60. Ägypten und die ägyptische Provinz Palästina bis zum Beginn 
des XIII. Jahrhunderts 
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Die von den Kreuzfahrern aus dem Königreich Jerusalem ver 
drängten jüdischen Massen trugen einerseits zum vorübergehenden 
Aufblühen der Autonomiezentren in Syrien und Mesopotamien bei, 
führten aber andererseits jenem Zentrum neue Lebenskräfte zu, das 
schon längst unter der Fatimidenherrschaft in Ägypten entstanden 
war. Das Fatimidenreich, dem Palästina zweimal hintereinander, zu 
nächst von den Seldschuken (1071), dann von den Kreuzfahrern
	        
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