Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 4. Das römische Gallien und die Westgoten 
Gallien beherrschenden Westgoten zu bewegen, die sich zum Chri 
stentum in der ketzerischen Form des Arianismus bekannten. Im 
Jahre 5o8 unternahmen die Franken im Bunde mit den Burgundern 
die Belagerung von Arles. Goten und Juden wetteiferten miteinander 
bei der Verteidigung der Stadt, wohl wissend, daß sie im Falle eines 
Sieges der Katholiken nichts Gutes zu erwarten hätten. Der dortige 
Erzbischof Caesarius sowie die katholische Minderheit der Bevölke 
rung sehnten hingegen den Sieg der Franken herbei, verbargen aber 
ihre verräterischen Sympathien aus Furcht vor den Verteidigern der 
belagerten Stadt. Bald wurde es jedoch offenkundig, daß die bi 
schöfliche Partei in geheime Beziehungen zu dem Feinde getreten 
war, da einer der Priester, ein Verwandter des Caesarius, eines Nachts 
die Stadl heimlich verlassen hatte und ins feindliche Lager über 
gelaufen war. Goten wie Juden beschuldigten nun Caesarius des Ver 
rats. Es wurde beschlossen, ihn in einen Kahn zu setzen und auf der 
Rhone in die Verbannung zu schicken, doch kam der Kahn nicht 
weit, da die Franken beide Ufer in der Nähe der Stadt besetzt hiel 
ten., so daß man den gefangenen Bischof in die belagerte Stadt zu 
rückbringen mußte. Inzwischen gelang es der Heimtücke der Ka 
tholiken, in dem belagerten Arles den gegen sie gehegten Argwohn 
auf die Juden abzuwälzen. Es wurde das Gerücht in Umlauf gesetzt, 
man hätte hinter der Stadtmauer einen Brief gefunden, der an einem 
Stein befestigt war und angeblich von einem der die Stadt verteidi 
genden jüdischen Krieger dem Feinde zugeworfen worden wäre; in 
diesem gefälschten Brief wurden die Belagernden aufgefordert, sich 
des Nachts an eine bestimmte, von der jüdischen Kriegerschar be 
wachte Stelle des Festungswalles heranzuschleichen, von wo aus sie, 
unter der Bedingung der Unantastbarkeit von Leben und Gut der 
jüdischen Einwohnerschaft, in die Stadt eingelassen werden sollten. 
Der heimtückisch zugeworfene Brief, in dem auch der Name des 
Schreibers nicht fehlte, wurde nun auf dem Marktplatz verlesen, 
worauf man den Beschuldigten auf der Stelle ergriff und mit dem 
Tode bestrafte. Damit war der katholische Bischof gerettet. Daß 
Caesarius bei der Sache irgendwie die Hand mit im Spiele hatte, ist 
daraus zu ersehen, daß er sich nach einiger Zeit vor dem Schutz 
herrn des westgotischen Gallien, dem ostgotischen König Italiens, 
Theodorich, in dieser Angelegenheit verantworten mußte. Nur der 
Einmischung Theodorichs hatten es die Westgoten zu verdanken,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.