Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Morgenland im Zeitalter der Kreuzzüge 
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Spitze der Damaszener Gemeinde standen: der „Rosch-Jeschiba“ Esra, 
der Gerichtsvorsteher Sar-Schalom, eine Reihe von Amtspersonen, 
die die Titel „Rosch-Seder“ (Akademiehaupt), „Darschan“ (Lektor 
oder Prediger) und „Parnas“ (Gemeindeälteste) führten, und ein 
Arzt. Es tritt uns hier somit ein regelrecht aufgebautes akademisches 
Kollegium von klassischem palästinensischem Gepräge entgegen. Aus 
Palästina übersiedelten nach Damaskus auch Gruppen von Karäern 
und Samaritanern, die sich hier gleichfalls zu besonderen Gemeinden 
zusammenschlossen. Alle diese drei Bevölkerungsgruppen lebten in 
Frieden und Eintracht, wiewohl sie es vermieden, sich miteinander 
zu verschwägern. Auf seinem Wege von Damaskus nach Mesopota 
mien traf der Reisende mitten in der syrischen Wüste, in der Oase 
Palmyra (Tadmor) zweitausend jüdische Familien an, deren Männer 
von kriegerischem Geiste beseelt waren und ihren arabischen Nach 
barn im Kampfe gegen die „edomitischen“ Kreuzritter und gegen die 
von Arabien heranstürmenden Reduinen tatkräftige Waffenhilfe lei 
steten. Die zweitgrößte jüdische Gemeinde in diesem Türkenreiche 
bestand in Aleppo (Haleb, Achlab, Aram-Zoba), das um jene Zeit 
der Sitz des Sultans Nureddin war. Der aus einundeinhalbtausend 
Mitgliedern sich zusammen setzenden Gemeinde stand ein dreigliedri 
ges Kollegium vor. Die an der armenischen Grenze gelegenen Städte 
Rakka und Nisibin zählten siebenhundert bis tausend jüdische Ein 
wohner. Die größte jüdische Gemeinde in diesem ganzen Gebiete 
(etwa siebentausend Mitglieder) hatte die Stadt Mossul in Mesopota 
mien aufzuweisen, die an den Ufern des Tigris, in der Nähe der Rui 
nen der alten assyrischen Hauptstadt Ninive gelegen war (weshalb 
Mossul von den jüdischen Reisenden auch Aschur oder Neu-Ninive 
genannt wird). Die Stadt unterstand der Gewalt des Bruders des 
Nureddin, Seifeddin, an dessen Hofe eines der Häupter der jüdischen 
Gemeinde, Rabbi Joseph ha’Chose, den die Araber mit dem Beinamen 
„Kenner des Himmelszeltes“ („Borhan al-fuluk“) auszeichneten, als 
Astrologe angestellt war. Als offizieller Repräsentant der Gemeinde 
von Mossul galt aber der „Nassi“ Sakkai, „vom Samen des Königs 
David“, d. h. aus dem Geschlechte der babylonischen Exilarchen 1 ). 
Das nahe von Bagdad gelegene Mossul gehörte um jene Zeit zur Ein- 
!) Zehn Jahre später sollen, wie der zweite Reisende berichtet, die beiden 
Brüder David und Samuel, wohl die Söhne des Sakkai, den „Nassi“-Titel gleich 
zeitig geführt haben.
	        
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