Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Periode der Kolonisierung 
statten ihnen, unter den gleichen Verhältnissen wie die Römer zu 
leben und uneingeschränkt über ihren Besitz zu verfügen; nur dürfen 
sie nicht christliche Sklaven besitzen“. Der Papst setzte sich auch für 
die Freiheit der jüdischen Gemeindeselbstverwaltung ein. Indessen 
waren durchaus nicht alle Vertreter der kirchlichen Geistlichkeit 
gleich Gregor geneigt, in den Juden römische Vollbürger zu er 
blicken, und so hatten die jüdischen Gemeinden in der Provinz von 
dem Klerus nicht wenig zu erdulden; in solchen Fällen beschwerten 
sich die Gemeinden beim Papste, der ihnen denn auch seinen Schutz 
nicht vorzuenthalten pflegte. So geschah es z. B., daß in einer der 
Städte der Campagna, in Terracina, der dortige Bischof Peter die 
Juden aus ihrer Synagoge unter dem Vorwände vertrieb, das laute 
Sprechen der jüdischen Gebete störe den christlichen Gottesdienst 
in der in unmittelbarer Nähe gelegenen Kirche. Auf die Beschwerde 
der Juden hin setzte der Papst eine besondere Kommission zur Un 
tersuchung des Vorfalles ein und trug dieser auf, falls der jüdische 
Gottesdienst sich für den christlichen in der Tat als störend erwei 
sen sollte, den Juden für die Synagoge einen neuen Bauplatz zuzu 
weisen. Dem übereifrigen fanatischen Bischof schärfte aber der Papst 
ein, er möge es in Zukunft unterlassen, den Juden bei Ausübung 
ihrer religiösen Pflichten in den Weg zu treten (591). Ein anderer 
Bischof, Viktor von Palermo, nahm den dortigen Juden ihre Syna 
goge und ihre Schulen mitsamt der ganzen Einrichtung und dem 
Bücherschatz in der Absicht weg, die Gebäude in Kirchen zu ver 
wandeln. Die Juden von Palermo versäumten nicht, an ihre Stam 
mesgenossen in Rom darüber zu berichten, auf deren Beschwerde 
hin der Papst den Befehl gab, die Angelegenheit vor einem von bei 
den Parteien bestellten Schiedsgerichte zu untersuchen. Der eifernde 
Bischof beeilte sich jedoch, die weggenommenen Gebäude als Kir 
chen einzuweihen, wodurch er den Papst vor eine vollzogene Tat 
sache stellte, da die Übergabe einer Kirche an Juden als Gottesläste 
rung galt. Gregor I. mußte sich damit begnügen, dem Bischof 
ob der unbilligen Handlungsweise einen Verweis zu erteilen, wobei 
er ihn zugleich verpflichtete, der jüdischen Gemeinde den Wert der 
enteigneten Gebäude und ihres Inventars voll zu ersetzen (598). In 
einem Schreiben an den Bischof von Sardinien tadelt der Papst in 
schärfster Form die Handlungsweise eines niederträchtigen jüdischen 
Renegaten aus Cagliari, der bald nach seiner Taufe in die Synagoge 
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