Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Zeitalter der Kreuzzüge in Mitteleuropa 
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um sodann selbst die Taschen der Juden leeren zu können. Die Trä 
ger der Krone des „Heiligen römischen Reiches“, die nicht nur 
Deutschland, sondern auch einen beträchtlichen Teil Italiens be 
herrschten, waren immerhin noch nicht so tief gesunken, um gleich 
dem englischen König Heinrich II. oder dem französischen Philipp 
August unverhohlen Expropriationen zu betreiben. 
Überdies war in Deutschland die sagenhafte Vorstellung eingewur 
zelt, die deutsch-römischen Kaiser seien unmittelbare Rechtsnachfol 
ger der Kaiser des antiken Rom, der Besieger Judäas, von denen sie 
auch das Recht der Vormundschaft über die Juden geerbt hätten 1 ). 
Diese geschichtliche Rolle von Vormündern und Protektoren vertrug 
sich nun in keiner Weise mit jenem System der rohen Ausbeutung, 
das den Juden gegenüber in Frankreich und England in Gebrauch 
war. Friedrich Barbarossa, der später selbst zu einer Gestalt der deut 
schen Legende werden sollte, fühlte sich gleichsam „von Gottes Gna 
den“ dazu berufen, diesen den Nachkommen des uralten Volkes schon 
nach der Legende zu gewährenden Schutz ihnen auch praktisch an 
gedeihen zu lassen. Hatten es schon seine Vorgänger, Heinrich IV. und 
Konrad III., nicht unterlassen, in der Zeit der Wirren gleich allen 
anderen Bevölkerungsteilen auch den Juden den „Landfrieden“ oder 
den „Königsfrieden“ zuzusichern, so legte Friedrich I. Wert darauf, 
diesem Akte noch eine besondere Feierlichkeit zu verleihen. Dieses 
Bewußtsein, von der Vorsehung selbst zum Vormund der Juden be 
stellt zu sein, kommt am deutlichsten in den den jüdischen Gemein 
den von Kaiser Friedrich verliehenen Privilegien zum Ausdruck. Schon 
in dem Freibrief vom Jahre 1167, der den Wormser Juden ihre frü 
heren Vorrechte bestätigte, wird kundgetan, daß der Kaiser sich als den 
ausschließlichen Gebieter der Juden betrachtet, da sie „unserer Hof- 
kammer angehören“ (cum ad cameram nostram attineant). Die Selbst 
verwaltungsrechte der Gemeinden gehen — so heißt es ferner — auf 
den Kaiser als ihre Urquelle zurück, und weder dem Bischof, noch 
dem Grafen, noch den Reichsbeamten steht das Recht zu, sich in 
deren innere Angelegenheiten einzumischen. Mit noch größerer Be 
stimmtheit ist dieses Prinzip in dem den Juden von Piegensburg im 
Jahre 1182 verliehenen Freibrief zum Ausdruck gebracht. In dieser 
U Diese Auffassung gelangte später in den Kodexen des Gewohnheitsrechtes 
des XIII. Jahrhunderts, im „Sachsen-“ und im „Schwabenspiegel“, zur ausdrück 
lichen Formulierung (s. Band V dieser Geschichte).
	        
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