Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

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§ 3. Italien unter den Ostgoten und Langobarden 
nun die Stadt, die einst die ganze Erde bezwang“ (capitur urbs, 
quae totum cepit orbem). Der Schlußakt des Trauerspiels sollte 
nicht lange auf sich warten lassen. Durch die unzulängliche Ver 
waltung der wenig befähigten Nachfolger des Honorius und durch 
den zwischen den verschiedenen Kronprätendenten entbrannten 
Kampf um die Macht aufs äußerste geschwächt, war Italien nicht 
mehr in der Lage, der Europa überflutenden „großen Völkerwan 
derung“ zu widerstehen, und fiel so den Barbaren zur Beute. Im 
Jahre 452 verheerten die Hunnen des Attila, dieser „Geißel Gottes“, 
Oberitalien. Im Jahre 455 plünderten die Vandalen unter der An 
führung Genserichs die Stadt Rom, wohin sie von einer der um 
die Macht kämpfenden Parteien zu Hilfe gerufen worden waren. 
Unter den Genserich in die Hände gefallenen Schätzen befanden sich 
auch die letzten Überreste der einst von den Römern aus dem zer 
störten Jerusalem mitgebrachten Kriegsbeute. Die von Titus aus dem 
Jerusalemer Tempel geraubten und als Siegestrophäen nach Rom ge 
brachten Weihgeräte wurden nunmehr zusammen mit den römischen 
Götzenbildern von Genserich nach Karthago, der Hauptstadt des in 
Afrika begründeten Vandalenreiches, weggeführt 1 ). Nachdem die Van 
dalenflut abgeebbt war, rang das kaiserliche Rom noch zwanzig 
Jahre lang mit dem unabwendbaren Verhängnis. Die dort von den 
Armeeführern gotischer oder gallischer Herkunft auf den Thron 
erhobenen Kaiser lösten einander in rascher Folge ab, bis schließlich 
auch für den letzten dieser Eintagsherrscher, den „kleinen Augustus“, 
Romulus Augustulus, die Stunde geschlagen hatte. So wurde 
im Jahre 476 das weströmische Reich von seinem Schicksal ereilt. 
Der Kriegsherr der aus verschiedensten germanischen Stämmen zu 
sammengewürfelten Barbarenscharen, Odoaker, rief sich zum Kö 
nige Italiens aus. Von seiner Residenz zu Ravenna aus beherrschte 
er siebzehn Jahre lang das verheerte Land, bis auch er im Jahre 493 
von dem König der Ostgoten, Theodor ich dem Großen, gestürzt 
wurde. Nunmehr befestigte sich in Italien die Herrschaft der Ost 
goten, die sich bereits christliche Glaubensformen und römische Sit 
ten zu eigen gemacht hatten. 
Wie die Mehrzahl der Goten, bekannte sich auch Theodorich zum 
Christentum in der Form des Arianismus, der nur die Wesensähn 
1 ) Über das weitere Los dieser Reliquien siehe Band III, § 38.
	        
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