Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Periode der Kolonisierung 
Inschriftenteile treten uns hier viel häufiger als in Rom entge 
gen — ein untrügliches Zeichen dafür, daß die süditalienischen Ju 
den sich in viel geringerem Maße als die römischen ihrer Umgebung 
angeglichen hatten. Besonders bemerkenswert ist eine dieser hebräi 
schen Inschriften, in der sich im Rahmen der nationalen Sprache 
und der üblichen religiösen Formeln nichthebräische, fremde Namen 
finden: „Die Ruhestätte des Beta, des Sohnes des Faustinus, Friede 
seiner Seele, sein Geist möge des ewigen Lebens teilhaftig werden“ 
(Mischkabo schel Beta ben Faustinus noach nefesch etc.). Spuren jü 
discher Siedlungen aus dem IV. bis VI. Jahrhundert haben sich auch 
noch in den bedeutendsten Städten Siziliens erhalten: in Syrakus, 
Palermo und Agrigent. Von dem Bestehen jüdischer Kolonien in den 
größeren Städten Oberitaliens, in Mailand, Ravenna und Genua, er 
fahren wir aus den Schriftdenkmälern des VI. Jahrhunderts, aus einer 
Zeit also, da das weströmische Reich bereits zu Fall gekommen war 
und das politische Zentrum sich nach der Lombardei verschoben 
hatte; doch werden die Anfänge dieser Siedlungen wohl in eine viel 
frühere Zeit zu verlegen sein. 
Der Prozeß der Ansiedlung der Juden in Italien, der schon vor 
dem Beginn der christlichen Zeit einsetzte, kam somit während der 
ganzen Kolonisierungsperiode nicht zum Stillstand. Zu Beginn des 
VIII. Jahrhunderts sehen wir denn auch bald größere, bald kleinere 
jüdische Gemeinden in allen bedeutenderen Städten der Apennini- 
schen Halbinsel. 
§ 3. Italien zur Zeit des Zusammenbruches des Kaiserreiches und 
der Herrschaft der Ostgoten und Langobarden 
Das IV. Jahrhundert, das Jahrhundert der Befestigung des Chri 
stentums als der Staatsreligion des römischen Reiches, brachte in 
das Leben der bis dahin unbehelligt in Italien lebenden Juden Un 
ruhe und Verwirrung. Die antijüdische Gesetzgebung einerseits und 
die Überfälle des Straßenmobs andererseits führten ihnen in aller 
Deutlichkeit die schweren Gefahren der hereingebrochenen Krise vor 
Augen. Als nach dem Untergang des Julian Apostata, des Beschützers 
des Heidentums und des Judentums, die religiöse Wut sich in Rom 
gegen die Heiden richtete, blieb auch die dortige jüdische Gemeinde 
von diesen Ausbrüchen nicht verschont. Die triumphierenden Christen
	        
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