Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Kolonien im östlichen Europa 
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miteinander: der Sohn des Chagans Aaron, Joseph, ehelichte die Toch 
ter des Königs von Alanien. Während der Regierungszeit des Joseph 
(um 932—965) kam es nun zu Ereignissen von entscheidender Bedeu 
tung. Gleich zu Beginn seiner Regierung wiederholten sich in Byzanz 
die vom Kaiser Romanus inspirierten Judenverfolgungen, und der 
chasarische König Joseph, der durch die jüdischen Flüchtlinge davon 
Kunde erhalten hatte, ergriff entsprechende Repressalien gegen die 
christlichen Griechen in seinem eigenen Reiche. Dies gab Anlaß zu 
einem neuen Kriege zwischen Byzanz und dem Chasarenlande. Der 
Kaiser Romanus säumte nicht, „an den Russenkönig Oleg (Helgu)“, 
cL i. an den Fürsten von Kiew, wo damals freilich nicht mehr Oleg, 
sondern dessen Sohn Igor (912—945) herrschte, kostbare Geschenke 
zu senden, um diesen zu einem Kriegszug gegen die Chasaren zu be 
wegen. Die Russen drangen in der Tat in die Besitzungen der Cha 
saren in der Krim (in Samkersch auf Taman) ein, wurden aber sehr 
bald von dem chasarischen Feldherrn Pessach zurückgedrängt. Darauf 
überfiel dieser „die Städte des Romanus“ in der Krim, machte viele 
Einwohner nieder und legte der Stadt Chersones, dem dortigen Haupt 
stützpunkt der Byzantiner, einen Tribut auf. Nachdem Pessach so mit 
den griechischen Anstiftern des Russenüberfalles fertig geworden war, 
wandte er sich gegen das Land der Russen selbst und bezwang hier 
seinen treubrüchigen Vasallen, den Fürsten Igor. Dieser brachte zu 
seiner Rechtfertigung vor, daß er nur auf Zureden des Kaisers Ro 
manus gegen die Chasaren ausgezogen sei, erhielt aber von Pessach die 
Antwort: „So ziehe denn aus gegen Romanus und kämpfe mit ihm, 
sonst werde ich Rache an dir nehmen“. Der Russenfürst mußte ge 
horchen; er zog mit seiner Flotte gegen Konstantinopel und bekriegte 
es vier Monate lang, erlitt jedoch eine Niederlage, da die Byzantiner 
seine Schiffe durch „griechisches Feuer“ zu verscheuchen wußten. 
So kehrte er denn nach dem Russenlande zurück und mußte den Cha 
saren nach wie vor Tribut entrichten. 
In dieser Erzählung des chasarischen Juden aus dem X. Jahr 
hundert ist ein deutlicher Widerhall der stürmischen Ereignisse jener 
Zeit zu vernehmen. Das hierin über die Kriege zwischen Russen und 
Byzantinern Berichtete stimmt mit den in den russischen und by 
zantinischen Annalen auf gezeichneten Tatsachen völlig überein. Im 
Jahre 941 zog der Kiewer Fürst Igor in der Tat mitsamt seinem 
Heere auf zahlreichen Schiffen gegen Zargrad (Konstantinopel) aus,
	        
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