Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 29. Das Chasarenreich 
der Tat ganz von Kämpfen zwischen dem Chasarenreiche und Byzanz 
ausgefüllt. Hierbei suchten sich beide Staaten den Beistand von Ver 
bündeten zu sichern: der eine bemüht sich, das kaukasische Alanien 
für sich zu gewinnen, der andere — das Kiewsche Rußland. Hier wie 
dort bildete die religiöse Propaganda, die christliche der Byzantiner 
und die jüdische der Juden aus dem Chasarenlande, einen Hebel 
ihrer Bündnispolitik. Je nach den Erfolgen der Koalitionspolitik 
neigte sich das Kriegsglück bald der einen, bald der anderen der 
kämpfenden Parteien zu. Einen besonders erbitterten Charakter nahm 
der Kampf zwischen dem „jüdischen“ und dem christlichen Staate 
während der Regierung des byzantinischen Kaisers Romanus I. Leka- 
penus an, der auf Einflüsterungen des palästinensischen Patriarchen 
hin den Entschluß faßte, alle Juden in seinem Reiche zur Taufe zu 
zwingen (um 982—940). Dem Zeugnis des arabischen Schriftstellers 
Massudi zufolge verließen nämlich um diese Zeit viele vor dem „Kai 
ser Armanus“ fliehende Juden das byzantinische Reich, um nach dem 
Chasarenlande zu ziehen. Die neuen Opfer der Gewaltherrschaft stei 
gerten noch mehr die Erregung unter den Chasaren, die auch sonst 
fast ununterbrochen auf Kriegsfuß mit Byzanz standen. Die schon 
erwähnte, vor kurzem aufgefundene chasarische Urkunde wirft nun 
ein gewisses Licht auch auf die Rolle der Juden bei den geschicht 
lichen Ereignissen, die für das chasarische Reich schließlich zum 
Verhängnis werden sollten. 
In dem von einem Zeitgenossen dieser Ereignisse herrührenden 
Briefe wird berichtet, daß die Chasaren im X. Jahrhundert unter den 
Königen Benjamin und Aaron eine stürmische Zeit durchzumachen 
hatten: „Die Griechen und Macedonier“, d. s. die Byzantiner, hatten 
nämlich die früheren Verbündeten des Chasarenreiches, die kaukasi 
schen Alanen, unter denen sie inzwischen Missionserfolge zu erzielen 
vermochten, auf ihre Seite zu locken gewußt und setzten mit ihrer 
Hilfe den Chasaren hart zu. Der Chagan Aaron ging jedoch ein 
Bündnis mit „dem König von Turkia“ ein (wohl mit einem der mit 
telasiatischen Türkensultane, die nominell dem Kalifat von Bagdad 
unterstellt waren) und besiegte, von türkischen Söldnertruppen un 
terstützt, die mächtigen Alanen, wobei er sogar deren König zum Ge 
fangenen machte. Darauf erneuerten die Alanen (von denen sich ein 
Teil zum Judentum bekannte) ihr Bündnis mit den Chasaren und die 
beiden Königshäuser traten auch in verwandtschaftliche Beziehungen
	        
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