Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 20. Die Geschicke der Juden in Byzanz 
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die unversehens in eine sektiererische Irrlehre ausartete, keine ernst 
licheren Folgen nach sich gezogen zu haben. Das Interesse des Kaisers 
für Ketzer und Juden wurde aber sehr bald durch den zwischen den 
Bilderstürmern und Bilderverehrern ausgebrochenen Zwist verdrängt, 
in dessen Verlaufe der bilderfeindliche Herrscher selbst als Ketzer 
und Judaisierender in Verruf kam. 
Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, daß in dem« 
vom Kaiser und den byzantinischen Rationalisten unternommenen 
Kampf gegen die heidnischen Überbleibsel im Christentum: die in 
das Gewand der Bilderanbetung sich kleidende Idolatrie, die ju- 
daistische Ideologie, eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielte, doch 
ist kaum anzunehmen, daß sich die Juden als solche an der Bewegung 
beteiligt haben. Ein Syrer von Geburt und unter Arabern und Juden 
aufgewachsen, wußte der Kaiser nur zu gut, wie sehr die Bilder 
anbetung, die den Kirchengegnern eine willkommene Zielscheibe für 
ihre Angriffe bot, den Erfolg der christlichen Mission unter den An 
dersgläubigen beeinträchtigen mußte; so war es nicht zuletzt das Be 
streben, den „äußeren Feinden“ eines ihrer Hauptkampfmittel zu 
entwinden, das den Kaiser dazu bestimmte, den gefährlichen Dog 
menstreit zu entfesseln, der das ganze Reich in seinen Grundfesten 
erschütterte. Die byzantinischen Griechen, Nachkommen der Verehrer 
Apollos und Aphrodites, konnten es nicht verschmerzen, daß das 
Staatsoberhaupt die bildlichen Darstellungen Christi, der Gottesmut 
ter und der Heiligen, die „nicht von Menschenhand geschaffenen“ 
Heiligenbilder und heiligen Reliquien, deren Anbetung nur eine na 
türliche Fortsetzung des antiken Kultes war, ohne Nachsicht der Zer 
störung preisgab. So brandmarkte man denn den Kaiser und seine 
Gesinnungsgenossen mit dem Schmähnamen „Judaisierende“. „Ju 
den und Samaritaner verdammen die Heiligenbilder, folglich sind alle 
Gegner der Heiligenbilder Juden“, erklärte unumwunden einer der 
hervorragendsten Kirchenführer jenes Zeitalters. Leo III. und seine 
nächsten Nachfolger ließen sich jedoch durch solche Redensarten 
nicht irremachen und setzten ihren Kampf gegen die Bilderanbetung, 
der zugleich ein Kampf gegen die Widersacher der uneingeschränk 
ten weltlichen Gewalt, gegen die Geistlichkeit, war, unentwegt fort. 
Erst im Jahre 787 stellte das von der frommen Kaiserin Irene nach 
Nicäa einberufene Kirchenkonzil den Bilderdienst und die Reliquien 
anbetung wieder her, indem es zugleich alle, die „die Heiligenbilder
	        
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