Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Italien und Byzanz (VIII—XI Jahrh.) 
Apulien, Kalabrien, Kampanien, zu unternehmen, und dringen mit 
unter bis hart an die Tore Roms vor. Sie werden zunächst von den 
byzantinischen Kaisern, dann von den deutschen Kaisern Otto I. und 
II. bekämpft, doch gelingt es erst den späteren Eroberern Italiens, 
den Normannen, sie um die Mitte des XI. Jahrhunderts, kurz vor den 
Kreuzzügen, aus Sizilien und Süditalien zu verdrängen. Im Mittel 
punkt all dieser Wirren steht die „Ewige Stadt“ mitsamt ihrem Hohe 
priester — beide erniedrigt und elend, gleichsam ein Spielball der 
entfesselten politischen Elemente. Freilich waren die Päpste jenes 
Zeitalters eines besseren Loses auch nicht wert. Kleinlich, lasterhaft 
und käuflich, wie sie meist waren, trieben sie mit den geistigen Gü 
tern unverschämten Schacher, indem sie stets dem Meistbietenden 
zu Willen zu sein pflegten. Ihrem Beispiel folgte auch die Mehrzahl 
der Geistlichen. Der sittenstrenge Kardinal Peter Damiani, der im 
XI. Jahrhundert lebte, gab eine Schilderung der an Sodom gemahnen 
den Sitten des damaligen Rom in einem Buche, dessen Titel „Buch 
über Gomorra“ (Liber Gomorrhianus) schon für sich selbst spricht. 
Erst gegen Ende dieses Zeitalters tritt die mächtige Persönlichkeit 
Gregors VII. (Hildebrand) in den Vordergrund, dem es beschieden 
war, das Papsttum aus dem Abgrund der Erniedrigung auf eine bis 
her nie erreichte Höhe emporzuheben und Kaiser und Könige unter 
die Macht der Päpste zu zwingen. 
Aus der Karolingerzeit dringt eine dunkle Nachricht zu uns, wo 
nach König Ludwig II. im Jahre 855 den Befehl gegeben habe, alle 
Juden in kürzester Frist, bis zum i. Oktober dieses Jahres, aus Ober 
italien zu vertreiben 1 ). Indessen finden wir in den damaligen Chro 
niken keinerlei Bestätigung dieser Nachricht, und es fehlt auch jeder 
Hinweis auf die Ausführung der grausamen Verordnung. Das auf 
die Einflüsterung irgendeines italienischen Gesinnungsgenossen eines 
Agobard oder Amulo hin erlassene Dekret wird wohl bald wieder 
außer Kraft gesetzt worden sein, wie dies später an manchen Orten 
Frankreichs und Deutschlands oft der Fall war. Auch nach diesem 
Erlaß gab es Juden sowohl in Rom als auch in den größeren Städten 
der Lombardei: in Pa via, Verona, Lucca sowie in anderen. In Rom, 
wo die Bürger je nach Nationalität oder Berufsart in besondere Kor 
1 ) Des Erlasses wird in den Kapitularien der Karolinger flüchtig Erwähnung 
getan (Monumenta Germaniae, Legum I, 437). 
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