Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Karolinger zeit in Mitteleuropa 
XI. Jahrhundert wirkenden Männer, der ersten geistigen Führer der 
mitteleuropäischen Judenheit 
Der Ausdruck „eigenartig“ trifft allerdings nur unter einem ge 
wissen Vorbehalt zu: eigenartig war lediglich der von einer langen 
Reihe von Generationen ererbte innere Gehalt der jüdischen Kultur, 
doch bei weitem nicht alle ihre äußeren Ausdrucksformen. Vor allem 
ermangelten die französisch-deutschen Juden, ebenso wie die übrige 
Diaspora jener Zeit, einer eigenen Verkehrssprache: sie bedienten sich 
im alltäglichen Umgang der Landessprache, des Französischen oder 
Deutschen, und nur im schriftlichen Verkehr und in der Literatur 
behielten sie ihre alte nationale Sprache bei. In Frankreich und in 
den Rheinprovinzen Deutschlands sprachen die Juden vornehmlich 
französisch, wie dies namentlich aus den Bibelkommentaren des 
XI. Jahrhunderts zu ersehen ist, in denen viele hebräische Wörter in 
die damalige französische Sprache unter Anwendung der hebräischen 
Transkription übersetzt sind. Auch im Inneren Deutschlands sprachen 
die Juden in der Zeit vor den Kreuzzügen ein mit deutschen Wörtern 
mehr oder weniger vermischtes Französisch, und erst in den nächsten 
Jahrhunderten wurde hier die französische Mundart durch die deutsche 
verdrängt, die nach und nach viele hebräische Wörter und Redewen 
dungen in sich aufnahm und sich im Laufe der Zeit in den späteren 
deutsch-jüdischen „Jargon“ verwandelte. In der hier geschilderten 
Epoche, bis gegen Ende des XI. Jahrhunderts, stellten die Juden von 
Zar fallt und Aschkenas (Frankreich und Deutschland) in kultureller 
Beziehung ein einheitliches Ganzes dar. Sie gruppierten sich in ihrer 
überwiegenden Mehrzahl um die Hauptverkehrsader Mitteleuropas, um 
den Rhein und seine Nebenflüsse. Von diesem Zentrum aus, das um 
jene Zeit „Lothringen“ (im hebräischen Schrifttum „Lothar“) hieß 
und das ganze Rheingebiet mitsamt dem heutigen Elsaß und Lothrin 
gen umfaßte, zweigten sich Ausläufer nach Frankreich (nach den 
Provinzen Isle-de-France, Champagne, Bourgogne, Normandie) sowie 
nach Deutschland (Bayern, Sachsen usw.) ab. Eine besondere Stel 
lung nahm hierbei Südfrankreich oder die Provence ein, die im he 
bräischen Schrifttum die Sonderbezeichnung „Provinzia“ trug und die 
man von Nordfrankreich, dem sogenannten „Zarfath“, streng zu un 
terscheiden pflegte. Die jüdische Provence, die auch den Bezirk von 
Narbonne in sich schloß, gravitierte nämlich mehr zum arabisch 
spanischen als zum französisch-germanischen Kulturgebiet
	        
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