Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Karolinger zeit in Mitteleuropa 
schaft einen traurigen Ausgang hätte nehmen können; in der Kirche 
des Grabes Christi wäre jedoch ein Wunder geschehen, das auf die 
Juden einen so tiefen Eindruck gemacht hätte, daß sie sich alle zum 
wahren Glauben bekehrten; die Verfasser des Schreibens forderten 
daher die deutschen Herrscher auf, auch die in ihren Landen leben 
den Juden von dem Jerusalemer Wunder in Kenntnis zu setzen und 
sie entweder zur Taufe zu zwingen oder aus ihrem Reichsgebiet aus 
zuweisen 1 ). Indessen scheint dieses Sendschreiben weder auf die deut 
schen Bischöfe noch auf den König Heinrich I. irgendwelchen Ein 
druck gemacht zu haben. Zwar richtete der Erzbischof von Mainz, 
Friedrich, vielleicht im Zusammenhang mit der damals entfachten 
Agitation, an den Papst Leo VII. die Anfrage, ob die gewaltsame 
Taufe der Juden oder aber deren Vertreibung vorzuziehen sei, worauf 
der Papst den Bescheid gab, daß man die Juden nicht durch Zwang, 
sondern durch Überredung zu gewinnen trachten und ihnen „den 
Glauben an die heilige Dreieinigkeit und an das Wunder der Fleisch 
werdung Gottes“ beizubringen versuchen müsse, so daß nur die hoff 
nungslos Verstockten des Landes zu verweisen seien (um 987). Al 
lein auch dieser Briefwechsel zog keine weiteren Folgen nach sich. 
Um diese Zeit herrschte bereits Otto I., der die höhere Geistlichkeit 
in den Mechanismus der Staatsverwaltung einzugliedern verstand und 
die Bischöfe auf diese Weise die strengen Kirchenkanons vergessen 
machte. 
Von Otto I. und seinem Nachfolger Otto II. rührt eine Reihe von 
Dekreten her, durch die die Juden in den Bistümern der ausschließ 
lichen Jurisdiktion der Bischöfe unterstellt wurden. In Magdeburg 
unterstanden „Juden und sonstige Kaufleute“ (Judaei vel ceteri nego- 
tiatores) kraft des Dekretes vom Jahr 965 der dortigen Kirchen 
gewalt. Einige Jahre später wurde zur Erläuterung bekanntgegeben, 
daß alle Kaufleute, Juden und sonstige Einwohner Magdeburgs, von 
der Gewalt des Grafen und seiner Beamten unabhängig seien und der 
Jurisdiktion des von dem dortigen Erzbischof eingesetzten Stadt 
hauptes (advocatus) unterständen (973 und 979). Um dieselbe Zeit 
D Das Schreiben liegt in zwei verschiedenen Lesarten vor: in der einen er 
scheint als Urheber des Schreibens der Konstantinopeler Patriarch, in der ande 
ren der Doge von Venedig, der zusammen mit dem Patriarchen und den venezi 
anischen Bischöfen den deutschen König Heinrich I. und den Mainzer Erzbischof 
dazu aufmuntert, die Juden dem Christentum zuzuführen. S. Aronius, Regesten, 
Nr. 123, 124 sowie unten, S 20. 
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