Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§13. Die Juden unter Ludwig dem Frommen 
121 
genötigt, aus Spanien und dem Morgenlande muselmanische und 
heidnische Sklaven zu importieren; jedoch waren die katholischen 
Missionare in der Lage, kraft des bekannten Gesetzes auch diesen 
Sklaven im Falle des Übertritts zum Christentum die Freiheit zu ver 
heißen; darum eben erwirkten die Juden das kaiserliche Privileg, 
wonach Sklaven ohne Einwilligung ihrer Herren nicht getauft werden 
konnten, was nun den Zorn Agobards und seiner adligen Hintermän 
ner vollends zu hellen Flammen entfachte. Der Kampf gegen den 
jüdischen Sklavenbesitz war mithin nichts anderes als ein Kampf 
gegen den jüdischen Grundbesitz und die jüdische Landwirtschaft. 
Die Unterstützung der an diesem Wettbewerb unmittelbar interessier 
ten Kreise steifte Agobard den Rücken. Der Erzbischof, der sich zu 
nächst vor dem Kaiser noch fürchtete, brachte schließlich den Mut 
auf, der staatlichen Toleranz offenen Kampf anzusagen. Das von Ago 
bard in Lyon versammelte bischöfliche Konzil (829) scheint den von 
ihm in Vorschlag gebrachten Feldzugsplan gutgeheißen zu haben. Der 
Kampf erfolgte auf illegalen Wegen. In gewissem Zusammenhänge da 
mit wird wohl auch die Beteiligung Agobards an der von den Söhnen 
Ludwigs gegen den Vater angezettelten Verschwörung gestanden ha 
ben: der Erzbischof mochte von dem Thronwechsel den endgültigen 
Triumph der von ihm betriebenen Kirchenpolitik erhoffen. 
Ludwig der Fromme war unter den dem Karolingerhause entspros 
senen Herrschern der letzte, der die Juden vor den Angriffen der 
fanatisierten Geistlichkeit standhaft in Schutz nahm. Noch ein Jahr 
vor seinem Tode versah er eine an drei Juden in Septimanien ver 
liehene Gutsbesitzerlizenz mit folgender eigenhändiger Randbemer 
kung: „Wiewohl uns die apostolische Lehre zu Wohltaten nur gegen 
über den Bekennern des Glaubens verpflichtet, ist sie weit davon ent 
fernt, das Wohltun an Ungläubige zu verbieten, vielmehr legt sie es 
uns nahe, der göttlichen Barmherzigkeit nachzueifern und keinen Un 
terschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen zu machen“. Sein 
Wohlwollen gegenüber den Juden vermochte der Kaiser sogar auch 
dann noch zu bewahren, als sein von ihm hochgeschätzter Beicht 
vater, der Diakonus Bodo, zum Judentum übertrat, den Namen Eleasar 
annahm, eine Jüdin heiratete und nach dem spanischen Saragossa 
zog (839). Zwar erfüllte der Abfall eines der besten Söhne der Kirche 
den frommen Kaiser mit Trauer, doch erblickte er darin nicht den 
mindesten Anlaß zu Judenverfolgungen, obschon die Meinung des
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.