Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Karolinger zeit in Mitteleuropa 
In ihrer Handelstätigkeit vermochten die Juden mit den in der Pro 
vence und in Septimanien lebenden syrischen Griechen, den Arabern 
und den Italienern erfolgreich zu wetteifern. Die reiche Stadt Arles 
war der Hauptstapelplatz für die zur Ausfuhr nach dem Osten be 
stimmten Warenvorräte. In Marseille und Narbonne, den Brennpunk 
ten des internationalen Handels, in denen sich ein aus Goten, Fran 
ken, Spaniern und Juden bestehendes buntes Yölkergemisch tummelte, 
pflegte man dann die Waren auf Schiffe zu verladen. Unter den Ju 
den gab es, ebenso wie im Altertum, viele Schiffsreeder, die Waren 
und Reisende nach allen Himmelsrichtungen beförderten. Von der 
hervorragenden Rolle, die den jüdischen Kaufleuten in dem damali 
gen Handelsverkehr zugefallen war, zeugt auch die in den Urkunden 
jener Zeit übliche Wendung: „Die jüdischen und die sonstigen Kauf 
leute“ (so in den „Kapitularien“: negociatores Judaei et alii). Unter 
diesen „sonstigen“ Kaufleuten, unter den Griechen, Arabern und Ita 
lienern, war aber ein Gewerbe verbreitet, in dem es die Juden mit 
ihnen durchaus nicht aufzunehmen vermochten: die Piraterie oder 
Seeräuberei, die damals von vielen christlichen und muselmanischen 
Seefahrern berufsmäßig betrieben wurde. Diese Meister des Räuber 
handwerks pflegten sich auf hoher See aller nicht genügend beschütz 
ten Schiffe mit Mann und Ladung zu bemächtigen, um dann die Ge 
fangenen als Sklaven zu verkaufen und die Warenladung auf ent 
legenen Märkten in aller Ruhe abzusetzen 1 ). 
Der mit dem Morgenlande gepflegte Warenaustausch brachte das 
Reich Karls des Großen mit dem muselmanischen Reiche, dem Kali 
fat von Bagdad, in nahe Berührung, und so war es nur natürlich, 
daß die Mittler dieses Tausch Verkehrs, die Juden, auch in den zwi 
schen den beiden Staaten angeknüpften politischen Beziehungen eine 
gewisse Rolle spielten. Hierbei nahm Karl der Große nicht selten 
sogar persönlich die Dienste der Juden in Anspruch. So war der von 
Karl an den Kalifen von Bagdad, Harun al Raschid, geschickten Ge 
sandtschaft auch ein Jude namens Isaak zugeteilt, der nach der Rück 
kehr aus dem Morgenlande von Karl in feierlicher Audienz zu Aachen 
empfangen wurde und dem König das Geschenk des Kalifen über 
reichte (797—802). Daß ein Jude einer mit einer diplomatischen 
Mission betrauten Abordnung beigegeben wurde, mag vielleicht auf 
den Wunsch Karls des Großen, mit dem Orient engere Handelsbezie- 
!) S. Band III, S 67. 
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