Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

III 
verdanken hatte. Waren doch die Juden damals, in der Blütezeit des 
Kalifats von Bagdad, die treibende Kraft des gesamten Welthandels. 
Die ihnen zugefallene Rolle war schon durch ihre internationale Stel 
lung, namentlich aber durch den zwischen den jüdischen Gemeinden 
Asiens und Europas herrschenden Verkehr gegeben. Zeitgenössische 
arabische Reisende bezeugen, daß jüdische Kaufleute („Radaniten“) 
aus den Ländern der Franken gar häufig Handelsreisen nach Asien 
und Afrika zu unternehmen pflegten. Sie beherrschten die fränkische, 
griechische, spanische, arabische, persische und slawische Sprache. 
Auf ihren Reisen zu Wasser und zu Lande ließen sie keinen Hafen 
und Handelsplatz unberührt Aus Europa führten sie Sklaven, Waf 
fen, Rauch- und Seidenwaren aus. Gewöhnlich ging ihre Reise über 
das Mittelmeer bis nach Ägypten (Alexandrien) hin, von wo aus sie 
teils die Karawanenstraße, teils den Wasserweg über das Rote Meer 
nach Arabien und Indien einschlugen. Auf der Rückreise nahmen sie 
entweder denselben Weg in umgekehrter Richtung oder reisten über 
Konstantinopel, die Erzeugnisse des Morgenlandes (Spezereien und 
Arzneiwaren, kostbare Stoffe und Edelmetalle) mit sich führend 1 ). 
D Angesichts des besonderen Wertes, der den Angaben des arabischen Geo 
graphen des IX. Jahrhunderts Ibn-Chordadbe („Buch der Straßen und König 
reiche“) über den von den aus Europa nadh dem Orient reisenden jüdischen 
Kaufleuten eingeschlagenen Weg beizumessen ist, möge hier ein Auszug aus sei 
ner Schilderung, die sich namentlich auf die in den fränkischen Ländern be 
heimateten Reisenden bezieht, wörtlich wiedergegeben werden: „Dies ist nun der 
Weg der ,Radaniten" genannten jüdischen Kaufleute. Diese Kaufleute sprechen 
persisch, rumisch (griechisch), arabisch, aber auch die Sprache der Franken, Spa 
nier und Slaven. Sie reisen von West nach Ost und wieder zurück, bald zu 
Lande, bald zu Wasser. Von Westen her bringen sie Eunuchen, Sklavinnen, 
Knaben, Seide, Rauchwaren und Schwerter mit sich. Sie schiffen sich im Lande 
der Franken, am Gestade des Westmeeres (Mittelmeeres) ein, um sich nach 
Faram (Pelusium) zu begeben; dort verladen sie ihre Waren auf die Höcker der 
Kamele und nehmen den Landweg nach Kulsum (Suez), eine Reise, die fünf 
Tage in Anspruch nimmt. Aus Kulsum schlagen sie den Wasserweg über das 
Ostmeer (Rotes Meer) nach Aldschar und Dschedda (Arabien) ein und reisen 
dann weiter nach Sind, Indien und China. Auf dem Rückweg führen sie Mo 
schus, Aloe, Kampfer, Zimmet und andere Erzeugnisse des Morgenlandes mit sich, 
kehren nach Kulsum zurück, dann nach Faram, von wo aus sie wiederum das 
Westmeer überqueren. Manche nehmen den Weg nach Konstantinopel, um dort 
ihre Waren abzusetzen, während andere direkt in das Land der Franken zurück- 
kehren"*. — Die für die reisenden jüdischen Kaufleute gebrauchte Bezeichnung 
„Radaniten** ist etymologisch noch immer nicht geklärt. Das um das Jahr 85o 
aufgezeichnete Zeugnis des Ibn-Chordadbe trifft offenbar auch für die vorher 
gehende Epoche zu (vgl. Band III, S 69).
	        
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