Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 28. Rab und Samuel. Die akademische Organisation 
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tage: „Wegen viererlei Sünden gehen die Vermögenden ihres Vermö 
gens verlustig: die einen, weil sie den Arbeitslohn der Arbeiter zu 
rückhalten, die anderen, weil sie sich ihn aneignen, noch andere, weil 
sie die Last (der Arbeit) von ihren Schultern abstreifen und sie auf 
ihren Nächsten wälzen, andere endlich, weil sie sich ein hoffärtiges 
Benehmen (gegen die Arbeitenden, die Armen) erlauben“. 
Nahezu dreißig Jahre stand Rab an der Spitze seiner Akademie zu 
Sura. Es war dies eine stürmische Zeit in der Geschichte Babyloniens, 
das gerade die Ablösung der parthischen Herrschaft durch die per 
sische über sich ergehen lassen mußte. Doch die politischen Wirren 
vermochten den Meister von seiner geistigen Tätigkeit nicht abzulen 
ken. Er starb im Jahre 247. Auf die Nachricht von seinem Tode 
bestimmten die babylonischen Juden eine Trauerzeit von zwölf Mona 
ten. Gleich Jehuda ha’Nassi, den man schlechtweg „Rabbi“ nannte, 
lebte auch der Stammvater der babylonischen Amoräer unter dem 
ehrenvollen, seinen eigentlichen Namen Abba Areka ersetzenden Na 
men Meister, „Rab“ im Andenken des Volkes fort. 
Der Genosse und tatkräftige Mitarbeiter des Rab, Samuel Jarchinai 
(auch Arioch genannt), leitete, wie erwähnt, nach dem Tode des 
Schuloberhauptes R. Schila die Akademie von Nehardea. Seinem Cha 
rakter und seinen geistigen Interessen nach war Samuel unter den 
damaligen Gesetzeslehrern eine seltene Ausnahmeerscheinung. Er be 
schränkte sich nicht auf die talmudische Wissenschaft allein, sondern 
befaßte sich überdies voll Eifer mit der Mathematik, den Naturwisr- 
senschaften und der Medizin. Als Arzt glaubte Samuel die Mehrzahl 
der Krankheiten auf infizierte Luft zurückführen zu können. Seine 
Lieblingsbeschäftigung war die Astronomie, auf Grund deren er die 
Kalenderberechnungen ausführte. „Die Himmelsbahnen — so pflegte 
er zu sagen — sind mir geradeso bekannt wie die Straßen Nehardeas; 
nur die Kometen machen mich stutzig“. Er stellte sogar einen Kalen 
der mit genauer Berechnung der Jahresfeiertage auf, doch unterließ 
er dessen Veröffentlichung, da die Festsetzung der Feiertage von je 
her ein Vorrecht des palästinensischen Synhedrion bildete und so ein 
wichtiges Bindeglied zwischen den verstreuten Teilen der Judenheit 
und dem Heiligen Lande war. An speziellem Wissen auf dem Gebiete 
der religiösen Gesetze Rab nachstehend, übertraf ihn Samuel in der 
Kenntnis des jüdischen bürgerlichen Rechts. Vom Exilarchen in das 
Amt eines Bezirksrichters von Nehardea eingesetzt, hatte Samuel Ge
	        
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