Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

§ 35. Der Kulturkampf zwischen Sadduzäern und Pharisäern 
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viel Fremdartiges in die Lebensgewohnheiten verschiedener jüdischer 
Gesellschaftsklassen hinein. Die vorwiegend der sadduzäischen Rich 
tung nahestehenden Hasmonäerherrscher begünstigen aus staatspoli 
tischen Rücksichten nur allzu gern diese gegenseitige kulturelle An 
näherung der verschiedenen Bevölkerungsteile, während sich die Phari 
säer gleichzeitig alle Mühe geben, gegen den mächtigen Anprall der 
heidnischen Kultur einen unzerstörbaren Damm zu errichten. Nicht 
ohne Grund befürchten sie, daß die fremden Einflüsse aus der Sphäre 
des alltäglichen Lebens sich auch in das geistige Leben des Volkes 
Eingang verschaffen werden, da doch eine scharfe Abgrenzung der 
beiden Lebenssphären voneinander überhaupt unmöglich ist. Dieser 
künstlich errichtete Damm, in Form einer religiösen „Umzäunung“, 
erfüllte denn auch die ihm zugewiesene Aufgabe. Der national-reli 
giöse Selbsterhaltungstrieb führte dem Juden gleichsam vor Augen, 
daß ihm eine ganz besondere geistige Wachsamkeit not tue, um in dem 
ihn umbrandenden heidnischen Meere sich an der Oberfläche halten 
zu können. Dieser Trieb war es gerade, der die Volksmassen dazu ge 
neigt machte, die schwere Bürde der strengen religiösen Zucht der 
Pharisäer auf sich zu nehmen und diese Partei in ihrem Kampfe wider 
die Sadduzäer aufs kräftigste zu unterstützen. 
§35. Der Kulturkampf zwischen den Sadduzäern und den Pharisäern 
Der oben dargestellte politische Kampf zwischen den Sadduzäern 
und den Pharisäern wurzelte in dem verschiedenartigen Verhalten je 
der der sich gegenseitig befehdenden Parteien zu dem Typus des na 
tionalen Staates (§ 2 4) und mußte sich daher in seinen Verzweigun 
gen auch auf das kulturelle Gebiet erstrecken: auf das der Religion, 
des Kultus, der Dogmatik. Auf diesem Gebiete fällt es jedoch schwer, 
die allmähliche Entwicklung des Streites ins Einzelne zu verfol 
gen, da er sich hier über zwei bis drei Jahrhunderte erstreckte, und 
wir heute nicht mehr festzustellen vermögen, worin sich die Meinungs 
verschiedenheiten schon in der Hasmonäerzeit äußerten und worin 
erst in der nachfolgenden Epoche der römischen Herrschaft, als der 
soziale Hintergrund des Kampfes eine merkliche Änderung erfahren 
hatte. Die Nachrichten über die religiösen Streitigkeiten zwischen Sad 
duzäern und Pharisäern liegen uns in erst späterer Zeit entstammen 
den Quellen vor (die Bücher des Josephus Flavius, des Neuen Testa-
	        
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