Volltext: Sagen aus dem oberen Mühlviertel (1)

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Der Einsiedler am Plöckenstein. 
Ein Blick auf die vom Wetter durchgepeitschten Wände 
des „Radingerhäusl“ in der Ortschaft Rading bei Ulrichsberg 
genügt, sich dabei zu denken: wohl mancher Sturm hat an 
dir gerüttelt und dennoch bist du alt geworden. 
In der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts stand das 
Häuschen noch in einer gräulichen Wildnis. Biedere, mit vielen 
indern gesegnete Holzhauerleute (Wirter)· namens Scherhäufel 
bewohnten diese Ansiedlung. 
Im größten Elend erblickte hier — der Sage nach — 
Michael Scherhäufel, als Sohn jenes armen Ehepaares, das 
Licht der Welt.. 
Schon als Knabe füllte der Michl das Herz seiner Eltern 
mit bangen Ahnungen. Ungestümer Unabhängigkeitsdünkel trieb 
den kaum zwölfjährigen Jungen hinaus in die Wälder, wo 
er mit seines Vaters Kugelstutzen dem Wilde nachsetzte. Im 
Alter von achtzehn Jahren gehörte das Gehege bis zur böh— 
mischen, bayerischen Grenze dem Michael Scherhäufel. Mit Leib 
und Seele hing er an seiner Heimat. Tag und Nacht streifte 
er entlang des Klafferbaches hinan bis zur höchsten Spitze 
des Böhmerwaldes, dem Plöckenstein. Dort hielt er sich am 
liebsten auf. Der von aller Welt abgeschlossene, düstere und 
wilde Wald, wo das Rauschen der alten Baumriesen in er— 
habenem Echo hallte, der geisterhaft-schaurige See drückte sich 
lief in seine Phantasie hinein. 
Den Jägern und Ueberreitern (heutige Finanzwache) 
schwur Scherhaͤufel bald ewige Feindschaft, weil diese Menschen 
wirklich nur die einzigen waren, die seine angeborene und daher 
ihn beherrschende Leidenschaft beschneiden wollten. 
Aber auch der Pfleger der Herrschaft war kein Freund 
von Michls Freiheitsgelüsten. In einer Nacht umzingelten die 
Diener des „gestrengen Herrn“ mit mehreren Fanghunden 
das Holzhauer-Häuschen und schleppten den Michl fort: er 
wurde Soldat. 
Das preßte dem Michl nochmals einen Schwur von seinen 
Lippen: das militärische Joch abzuschütteln. Er verweigerte 
dem Korporal, der ihn abrichten sollte, den Gehorsam und 
fagte: „Auf Menschen schieß ich nicht, ich schlage nur auf das
	        
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