Volltext: Über Land und Meer : deutsche illustrierte Zeitung 3. Band 1902 (44. Jahrgang / 3. Band / 1902)

Ailhelm Busch 
(Hierzu die Abbildungen Seite 68 und 69 
D ist ein Mensch und erfrischt und erbaut 
sich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten 
und Dummheiten andrer Leute; selbst über sich 
selber kann man lachen mitunter, und das ist ein 
Extrapläsier“ — so charakterisiert der große Humo— 
rist, der am 15. April seinen siebzigsten Geburtstag 
feiert, in seiner Selbstbiographie „Von mir über 
mich“ treffend die Wirkungen, die seine Kunst auf 
die Mitmenschen ausübt, soweit sie überhaupt für 
Humor empfänglich sind. Ja, wie kaum ein andrer 
hat er es verstanden, die Schwächen und Thor— 
heiten der Welt, von denen kein Sterblicher ganz 
frei ist, in Bild und Wort zu bespötteln, und so 
sicher stets sein Witz den Nagel auf den Kopf trifft, 
so hat er doch nichts Verletzendes, sondern trägt 
das Gepräge harmloser Schelmerei. Eine Aus— 
nahme hiervon bilden nur drei seiner Werke: 
Antonius, Helene und Filucius, mit denen er in 
der Zeit des sogenannten Kulturkampfes das Gebiet 
der politischen Polemik betrat und auf jener Seite, 
der die Pfeile seiner Satire galten, argen Anstoß 
erregte. Nicht mit Unrecht ist von denen, die sich 
getroffen fühlen konnten, auf den merkwürdigen 
Zufall hingewiesen worden, daß gerade auch 
in diesen Schriften sich ein Zug von Frivolität 
bemerkbar macht, der sonst dem Künstler-Poeten 
rremd ist. In der That läßt sich nicht leugnen: 
vährend man seine übrigen Werke dem Familien— 
isch, der Hausbücherei zum Ergötzen für jung und 
alt unbedenklich anvertrauen kann, erscheint dies 
bei den vielberufenen Drei nicht ratsam. Aber 
selbst wenn man diese drei der Verdammnis preis— 
gäbe — was unsrerseits keineswegs unbedingt ge— 
schehen soll —, so bliebe noch die ganze Schar der 
andern Schriften, in denen Wilhelm Busch sich als 
der harmlose Schalk voller sprühendeu Humors 
zeigt, der wohl manchmal recht derb, aber niemals 
»ruͤtal ist, und an dem jedermann sich ergötzt, der 
richt unrettbar einem grämlichen Philistertum ver— 
allen ist. 
Wilhelm Busch wurde in dem hannoverschen 
Flecken Wiedensahl als erster Sohn eines wohl—⸗ 
habenden Krämers geboren. Er schildert den treff— 
lichen Vater in einer Art — stets nur mit langer 
Pfeife, wozu denn wohl auch der geblümte Schlaf— 
ock gehörte —, daß man annehmen möchte, jener 
habe ihm für etliche Figuren Modell gestanden, 
ind stimmt dies, dann ist auch die Vermutung zu— 
ässig, der Künstler-Dichter habe in seinem „Schrei— 
sjals⸗ ein Abenteuerchen seines ersten Lebensjahres 
zum besten gegeben. Dem Wickelkinde ist aus Ver— 
sehen die Lichtputzschere mit eingebunden, wogegen 
der Kleine mörderischen Protest erhebt, um sich erst 
zu beruhigen, nachdem das Uebel erkannt und be— 
seitigt ist 
Und Willi, der von Schmerz befreit, 
Lacht laut vor lauter Heiterkeit. 
Als der Knabe neun Jahre zählte, kam er zur 
besseren Ausbildung in das Haus seines Oheims, 
des Pastors Kleine im Dorfe Ebergötzen, mit dem 
er später auch nach der Pfarre zu Luͤethorst über— 
siedelte. Mit 16 Jahren bezog er die polytechnische 
Schule zu Hannoder, um sich dem Maschinenbau— 
fach zu widmen, und während der vier Jahre, die 
r dort verbrachte, genügte er auch der Militär— 
»flicht. Inzwischen war bei ihm die Lust zur 
Nalerei erwacht, der Widerspruch der gütigen Eltern 
jegen ein solches Umsatteln ließ sich schnell über— 
»inden, und der nunmehr Zwanzigjährige ging auf 
ie Kunstakademie in Düsseldorf, wo ihn der Antiken— 
aal aber nicht besonders zu fesseln vermochte, so 
aß er bald nach der Antwerpener Kunstakademie 
cbersiedelte, wo er in die Malklasse aufgenommen 
»urde. Bezwingenden Eindruck machten auf ihn 
ie großen niederländischen Meister: „Ihre göttliche 
eichtigkeit der Darstellung malerischer Einfälle, 
erbunden mit stofflich juwelenhaftem Reiz, diese 
nbefangenheit eines guten Gewissens, welches 
ichts zu vertuschen braucht, diese Farbenmusik, 
,orin man alle Stimmen klar durchhört, vom 
zZrundbaß herauf, haben für immer meine Liebe 
ind Bewunderung gewonnen.“ 
Aber das selbständige Schaffen des jungen 
dünstlers schlug doch ganz andre Pfade ein. In 
Nünchen, wohin er sich nunmehr begab, trat er in 
ertrauten Verkehr mit Altersgenossen der edlen 
Nalzunft — darunter die später berühmt gewordenen 
Vilhelm Diez und Theodor Pixis —, und in dem 
on ihnen begründeten Verein „Jung München“ 
atfaltete sich ein fröhlicher Humor, der in einer 
lustrierten Bierzeitung zu drastischem Ausdruck 
am. Wilhelm Busch war ein eifriger Mitarbeiter, 
Iind schon in diesen Arbeiten, sagt mit Recht 
zduard Daelen in seiner Schrift über unsern Humo— 
sten, bekundet sich augenfällig die Hauptstärke des 
Atenen Talents, die es so außerordentlich zur 
»arikatur befähigte: mit möglichst Wenigem das 
Vesentliche zu treffen. Thatsächlich offenbart sich 
n diesen Bildchen, von denen Daelen in seinem 
zuche („Ueber Wilhelm Busch und seine Bedeutung“, 
886, Düsseldorf, Felix Bagel) eine stattliche An— 
ahl wiedergiebt, bereits die außerordentliche Be— 
zabung für die künstlerische Satire, die den Zeichner 
päter berühmt machen sollte. 
Im Jahre 1859 begann Wilhelm Busch für die 
on Kaspar Braun und seinem Freunde Friedrich 
S„chneider begründeten „Fliegenden Blätter“ in 
Nünchen zu zeichnen, und bald gehörte er zu den 
eliebtesten Mitarbeitern. Ueber diese ersten Schritte 
adie Oeffentlichkeit sagt der Künstler: „Vielfach, 
die es die Not gebot, illustrierte ich neben eignen 
uch fremde Texte, bald aber meinte ich, ich müßte 
les selber machen. Die Situationen gerieten in 
Fluß und gruppierten sich zu kleinen Bildergeschichten, 
henen größere gefolgt sind.“ Den älteren Lesern 
verden zahlreiche Scherze in Erinnerung sein, die 
zuerst in den „Fliegenden“ oder in den Münchener 
bilderbagen und dann später unter verschiedenen 
Titeln gesammelt erschienen. Wir nennen beispiels— 
veise die „Bösen Buben von Korinth“, die von dem 
Fasse des braven alten Diogenes, den sie schnöde 
jeneckt, platt gedrückt werden, ihre deutschen Vettern 
„Max und Moritz“, deren Name zum geflügelten 
Worte geworden ist, und „Die beiden Enten“, die 
nan allerdings nicht selbst, sondern nur in ihrem 
beklagenswerten Opfer citiert: 
„Drei Tage war der Frosch so krank, 
Jetzt raucht er wieder, Gott sei Dank!“
	        
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