Volltext: Innviertler Heimatkalender 1925 (1925)

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sich eine musikalische Ausbildung nicht ntet/r leisten. Das Be¬ 
schaffen von 'Instrumenten ist HM unmöglich geworden. Damit 
geht viel Herzensbildung verloren und damit hängt die zunehmende! 
Verrohung zusammen. 
Noch nie hat das Geld so viel Unheil angerichtet toiie in bet 
jetzigen Zeit; jedes Empfinden für den Mitmenschen, jede bessere 
Regung ist erstorben. Des Geldes, des Gewinnes wegen werden 
zu Filmaufnahmen Tiere aus die grausamste Weise zu Tode ge¬ 
martert. Treffend sagt Richard Schaukal von unseren Zuständen: 
„Was wollen die heutigen Menschen? Macht? Ruhm? Ehre? Drd» 
nung? Sitte? Ruhe? Glück? — Bloß Geld! Aus Geld ist alles! 
eingestellt: Erziehung, Lehre, Arbeit und Vergnügen. Alle Phrasen 
von Freiheit, Recht, Frieden sind irgendwie in Geld ausdrückbar." 
Es ist zu natürlich, daß damit die Lust aM Liede verlorenge¬ 
gangen ist. Die blauen Papierfetzen haben den Menschen schlecht 
gemacht unb „böse Menschen haben keine Lieder". Schon vor dem 
Kriege konnte man die traurige Tatsache.feststellen, daß dem Volke 
der Sinn für schönen Gesang abhanden gekommen war, es hatte 
das Singen verlernt, das Volkslied erstarb. Man klatschte nur 
mehr den Berufsängern, bie fremde, oft zottige und sinnliche Lieder 
brachten, Beifall. Daß solche Gesänge' nicht erzieherisch wirken, 
bedarf keiner Erörterung. Sie können dem Zuhörer kein Warner 
sein, wenn er Uebles sinnt. Dies kann aber das stiefmütterlich be¬ 
handelte Volkslied. 
Uebrigens ist das tiefempfundene Lied bei allen Völkern zu¬ 
rückgegangen und verdrängt durch1 den Weltschmerz oder durch sinn¬ 
lich tollen Genuß, die beide ein höheres Streben behindern. 
In unserer an Idealen teeren Zeit ist es Herzerf reuend, daß 
sich das Interesse für die verborgenen Schätze fitnferer Heimat 
allseits hebt. Diese sind nicht augenblendender Schein, nein, „es 
ist des Volkes Edelherz, kristallisiert in Liedern." Keine schmach¬ 
volle Erniedrigung kann uns solche Kleinodien rauben: von frem¬ 
den Krankheitserregern befallen, können wir nur durch innere Wie¬ 
dergeburt gesunden und dazu brauchen wir keine fremden Geburts¬ 
helfer Im Votksliede lebt die Heimatliebe und in ihm spiegelt 
sich die Biederkeit, Geradheit und Gemütstiefe, welche feilt* Jahr¬ 
hunderten der Reichtum unseres Volkes sind. 
Vor etwas mehr als hundert Jahren, als Deutschland wie 
heute aus Laufend Wunden blutete, kam eine hochbedeutsame Samm¬ 
lung von Liedern, das „Wunderhorn", heraus. Es wies auf den 
unversiegbaren Quell der Heimat hin. Sollen wir auch heute wieder 
zu einem Aufstieg kommen, so müssen wir die geheimsten und 
tiefsten Brunnen des Volksgemütes aussuchen. Dieses aber spiegelt 
sich« rein im einfachen Liede. 
Die eigentlichen Träger unseres Volksliedes wären heute die 
Gefangsvereine. Sie sind es zum größten Teile leider nicht Mit 
schweren Kunstliedern suchen sie einander zu verblüffen und be¬ 
denken nicht, daß der Männergesang von den ungekünstelten Weisen 
feinen Ausgang genommen hat und diesen seinen großen Aufschwung 
verdankt. Jeder Verein will nur feine Virtuosität zeigen! Das
	        
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