Volltext: Innviertler Heimatkalender 1925 (1925)

Der sonderbare Junggeselle. 
Unwert meiner Heimat, einem weltentfernten Dörflern des 
Salzachtales, steht, umrandet von bewaldeten Höhen, ein großeA 
Einödgehöft. Hundegebell schallt herunter ins Tal und mächtige 
Getreide fuhren wackeln zur Erntezeit durch das' alte holzgeschnitzte 
Tor. Zur Sommerszeit spielen flachsblonde Kinder im Garten 
unb eine fröhliche und arbeitsame Dienstbotenschar feiert hier all¬ 
jährlich luftigen „Kirta". Einst war es anders. Als ich noch -ein 
Kind war, herrschte in ben Räumen dieses alten Herrenhofes ein 
alter Hagestolz, ein merkwürdiger und verschrobener alter Kauz, 
der Roither Sitrtmerl. Ich sehe ihn koch heute vor mir, wenn er 
Sonntags von feinem Hofe herunterkam und zur Kirche ging!.. 
Sein bartloses, hartgeschnittenes und zerfurchtes Bauerngeficht war 
belebt von außergewöhnlich scharfen Augen, die durch buschige, dunkle: 
Brauen überschattet waren. Auf dem Kopf mit den paar grauen! 
'Haarsträhnen trug er einen breitrandigen, hohen Hut aus d'er 
Väterzeit. Eine enge lederne Hose steckte in derben Kniestiefeln, unb 
der neuesten Bauernmode zum Trotz trug er den langen Bratenrock 
mit den Silberknöpfen und das „Schileeleibö" mit den großen 
Talern. Es lag etwas Merkwürdiges, fast Unheimliches in feiner 
ganzen Erscheinung. Noch dazu hatte er ein Fußleiden, hinkte ge¬ 
waltig und trug deshalb immer einen derben Knotenstock bei sich. 
Uns Kindern war er ein Schreckgespenst. Nur mit heimlichem Grauen, 
gingen wir an seinem Hose vorbei und wo er uns begegnete, bogen 
wir scheu aus. Es gingen auch zu merkwürdige Gerüchte über ihm. 
um. Man erzählte • sich, er habe Kisten und Säcke voll Gold zu 
Hanse, jage aber mit Hunden die Bettler von feinem1 Hofe. Selbst 
dem Herrn Pfarrer, der für die ‘neuen Glocken sammle, solle er neu¬ 
lich mit unsanften Worten die Türe gewiesen haben. Aber nicht 
immer war er so schlimmer Laune. Ein armes Weiblein erzählte 
meiner Mutter, der Roither Simmerl fei ein guter Mensch, man 
verkenne ihn nur. Bei ihr käme er immer zur rechten Zeit, wenn 
das Brot ausgegangen ober bie 'Mehlstruhe leer sei. Plötzlich steht 
er dann in der Türe und schreit herein: „Braucht» a Brot?" Unb 
schon kugelt er einen mächtigen Laib Brot auf dem1 Zimmerboden 
herein ober stellt im Vorbeigehen ein Säcklein Mehl ins Fenster. 
Meist wehtt er den Dank rauh ab, schimpft sogar mit unflätigen 
Worten, streicht den krausköpfigen Buben übers Haar unb hinktz 
schleunigst davon. Da der Roither ©immer! im Rufe eines reichen 
Mannes stand und auch sonst im Stall und auf den Feldern viel 
Glück hatte, munkelte man allerlei dunkle Dinge über ihn und ber 
Neid trug sie weiter unb bie Mißgunst tat noch etliches dazu, so 
baß man hin unb wieder betn1 Gerücht begegnete, der Simmerl halte 
es mit den Bö|fen. Unb zugegeben muß werden, er hatte manchmal 
etne ganz besondere Art, die Leute zu ärgern. Lag die Ernte in ber 
Scheune, so traf mancher Bauer zu nachtschlafender Zeit ben Sim¬ 
merl, wie er um fremde Höfe schlich. Hier aus einem Stadel 
schlich oder bort an einem Fenster horchte, wo die Leute zu Abend 
beteten ober sich fröhlich unterhielten. Manche Dirn erzählte heim-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.