Volltext: Innviertler Heimatkalender 1925 (1925)

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Mütterchen." Und als der Engel sie schweigend ansah, erzählte! 
sie ihr Schicksal und vom schweren Weg, den sie gegangen. 
Des Engels Augen lagen so voll Gute und Liebe auf ihr, 
daß Bangen, Schmerz und Sehnsucht aus' ihrem Herzen schwanden 
wie Schnee vor der Sonne. Und als er nun freundlich sagte: 
„Warte hier!" und hinter dem goldenen Tor Verschwand, da setzte 
sie fidi geduldig an der Himmelstür nieder, lehnte das müde Köpf¬ 
chen zurück und wußte, daß nun alles gut werden würbe. 
Da öffnete sich auch schon das Tor und1 der Engel trat heraus 
hervor. In den Händen trug er eine Schale, von ber ein rosen¬ 
farbener Schein ausging. Seine Stimme klang wie Glockenschläge 
an des Kindes Herz: „Noch kannst du nicht burch dieses Tor zu 
deiner Mutter gehen, benn bu hast beine Erdenbahn noch nicht 
vollendet. Deine Mutter aber erbat von Gott für deine treue Liebe 
einen Trunk ans dem Bronnen der Seligen. — Trinke!" Gehor¬ 
sam neigte sich idets Kind über die Schale. Da leuchteten Mm 
aus ber» klaren Tranke bas geliebte Angesicht der Mutter entgegen, 
und inbem es tranfi, zog ein wunbersekiges Gefühl in feine Seele. 
Als es getrunfien, war auch die Schale aus den Hauben bes Engels 
verschwunden. Er nahm Klein-Grete auf den Arm unb glitt mit 
ihr nieder zur Erde. An der Schwelle bes Kirchleins legte er bas 
nun schlafende Kinb nieder. 
Als der Morgen fiatn unb Grete erwachte, hob sie bie Hänbchen 
und winkte ihrem Mütterchen Grüße zu unb bann ging sie ben Weg 
zurück. — Die Welt aber war, seit sie aus bem Bronnen getrunken, 
anders geworden. Hob ihr der Morgenwind bas Haar aus ber 
Stirne, so wußte sie, daß ihr Mütterlein sie leise liebkoste. Zwit¬ 
scherte lein Böiglein, im Traum, filang's ihr wie ein liebes Work. 
Aus der Blumen zartem Angesicht sah das Auge der Mutter ihr ent¬ 
gegen. Aus dem Rauschen bes Walbes aber unb aus bem Brausen 
der Flüsse, aus bem Zuge ber Wolken über ihr, und aus der ganzen 
schönen Welt ringsum sprach Gottes Wesen zu ihrem kleinen Herzen. 
Und es warb ihr klar, baß Gottes Fürsorge unb ihres Mütterchens 
Liebe sie auf ihrem ganzen ferneren Lebensweg nie verlassen würde. 
Beim Vacherl. 
Du Wasserl, du kloans, 
Mit da wispladn Spracht 
Rinnst so sleißi und stad 
Und machst dennast dein ,Sl, chr. 
Du Bacherl, du sreundligs, 
So klar und brinnliacht, 
Daß ma überall leicht 
Aufn Grund abi siacht. 
Wär'n df Leut as wia du, 
Gäb's nöt Gschroa und nöt Strit 
Wia du sollen ah df Leut sein! 
Da wär' ehn zun traun 
Und ma kunnt', wia bei dir, 
Bis ins Herz eini schaun. 
Und ma hätt auf da Welt 
Wia vor deiner an Früd. 
Karl Adam Kaltenbrunner.
	        
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