Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

(Ein Junggeselle. 
Sin hartgesottener noch dazu. 
Ich wüßte seinen Vor- und Zunamen, Titel, Wohnort, Straße und Haus¬ 
nummer ganz genau. Aber ich darf sie nicht verraten. Er ist nicht klein und nicht 
groß, nicht dick und nicht hager, noch nicht grau unnd nicht mehr ganz blond — 
kurz er ist eben ein „B'sonderer". Einer, für den kein gewöhnliches Maß paßt. 
Der seinen eigenen Weg und seinen eigenen Schritt gegangen; viel allein, aber nie 
einsam. Abseits vom Getriebe der Heerstraße; aber stets ein feiner Beobachter. 
Fröhlich, doch nie laut und für das feinste Sümmchen der Natur empfänglicher 
als für den geräuschvollsten Lärm des Alltags. Und weil er kein Menschenkind ge¬ 
funden, das die Welt verstanden hätte, wie sie sich in seinen Augen gespiegelt, so 
ist ihm seine Freiheit der liebste Weggenosse geblieben. 
„Daß der nicht geheiratet hat", verwundern sich jene, die für die Gemeinschaft 
der Ehe sind. „Bei der Stellung, bei dem guten Auskommen." 
„Wo die Sorge keine böse Schwiegermutter machen könnt’!" 
„Es ist schade!" 
„Wird ihn auch noch reuen!" 
Für die Sorte hat er alleweil ein paar kaustische Scherzworte bereit. 
„Ja, Sie — Sie haben es halt gut," so reden wieder andere, die an ihm 
vorbeigehen. „Nichts zu kümmern, keinen Aerger, außer den, den Sie sich selber 
machen — Sie sind halt immer ein Glückskind gewesen." 
Für die Sorte hat er immer nur ein großes Schweigen. Die Leute kennen 
nicht die Mühen seiner Jugend, die strenge Arbeitstätigkeit seiner Mannesjahre. 
Er ist überhaupt keiner von jenen, die leicht einen Jeden, der fragt darnach, 
in das Tagebuch ihres Lebens gucken lassen. 
Bedauert ihn einer: „O, mein Gott, es muß doch recht traurig sein, so gar 
keine Ansprach' haben!" 
Dann lacht er und meint: „Aber auch keine Einsprach'." 
Und beneidet ihn einer: „Sie haben leicht hausen, mit Ihnen greint jahraus 
und jahrein kein Weib!" 
Dann legt er sein Gesicht in ernste Falten und seufzt: „Ja, was nutzt das, 
wann mich dafür jahraus jahrein keiu's lobt." Dabei lugt ihm der Schalk ans 
den Augen. „Der kann mehr als Brot essen," sagen die Augen. 
„Mit dem ist nichts zu reden," die Dummen. 
„Mit dem ist nicht zu spassen," meinen die Sinierer. 
„So viel unterhaltlich ist er," die Oberflächlichen. Er, um den sich all das' 
Gerede dreht, laß jedem das Seine. 
„Meinungen sind so viel wie ein Privatkapital und mit dem Neben kommt's 
unter bie Leut'. Der eine zahlt halt bann eben in Blech, der andere in Gold, der 
dritte in Schein." Er selbst hält sein Privatkapital zusammen, ist nicht oft ausgab- 
lustig. Aber mann, bann prägt er gute Münze. 
Neulich, ba sitze ich wieber einmal bei ihm in seinem Bureau. Es ist ait 
einem jener seltsamen Vorfrühlingstage, wo in der Lust ein Sausen unb Brausen 
ist unb der weiche, nasse Boden seinen würzigen, eigentümlichen Erdgeruch aus¬ 
strömt. Ich weiß, das ist das rechte Plauderwetter für ihn. 
"Ja," gibt er selber zu, „bas taugt mir auch ein jedesmal wieber aufs neue: 
Der Wind macht -noch einen großmächtigen Lärm, bunt und schnaubt einen an, ist 
aber boch schon viel linder dabei, just wie einer, der nur deshalb so poltert, weil
	        
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