Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

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„Hopp" hebt er sich ruckweise empor. Doch plötzlich bewegt er sich nicht mehr vor- 
und nicht mehr rückwärts. Ein schlauer Zimmermann hat ihn fest geklammert. Ratlos 
und ängstlich, den Bau nicht vollenden zu können, rennen die Zimmerer hin und 
her, versuchen 
Da tritt 
es geht nicht; probieren wieder — es geht noch nicht, 
der Meister vor und gibt dem Bauer den Rat: 
„I tat dir halt rat'n: 
Wannst göbn tatst an jed’it G'söll'n an Taglohn 
Und an Moasta zweit, 
Nachat tat da First wieder leichta geh'n!" 
Jetzt, da auch genügend „Schmiere" hinter der Binde verschwunden, sitzt der 
First im Nu auf dem Gebälke und es spielt auch schon der Wind mit bett scheckigen 
Bändern bes „Boschen", ein Tannenbäumchen, bas mit verschobenen Bändern, 
farbigen Papieren, Zigarren re. behängen, gleichsam als Siegesfahne die höchste 
Stelle des Gebäudes einnimmt. Den Boschen muß die „große Dirn" (Oberdirn) 
Herrichten, schmücken. In der Küche brodelt und siedet es, denn abenbs gibt es 
„Firstwein" (Firstbier). An biesem Tage haben alle hoppelten Taglohn und 
doppelt Krapfen. Sonst jeben Samstag vier, heute acht. 
Schon während man beim „Untern" — Jausenbrot um 3 Uhr — saß, würbe 
ber Boschen gestohlen. Bald nach bem „Feierabendläuten" — am Vortage von 
Sonn- und Festtagen wirb nachmittags um 2, 3 ober 4 Uhr ttt ben Kirchen geläutet 
— sieht man allerlei frembes Gefinbel, vermummte Gestalten, dienstbeflissene Häscher 
mit suchenden Blicken das Dorf durchwandern. Sklaven ziehen den Armensünder¬ 
karren. Jedes Winkelchen wird bnrchsorscht, in jebe Ecke gespäht. Da hat man ben 
Boschenbieb. Er wirb gebunden, auf ben Wagen gehoben unb unter Hnrrahgefchrei 
und bem schrecklichsten Gejohle geht's ins Bauernhaus zurück, wo Dieb unb Häscher 
unb bas ganze Gesinde mit Fleisch, Bier, dieses fällt meist auf des Diebes Rechnung, 
und Gebackenem bewirtet werden. 
In den nächsten Tagen schreitet man an die Fertigstellung des Baues. Die 
Tenne wird gelegt. Dieses ist wieber mit allerhaub Bräuchen verbunben. Sinb bie 
Platten nebeneinander gelegt, so werden sie mit keilförmigen Teilen befestigt. Das 
Ein Eichenbalkeu, der fest sein muß, wird 
nennt man das „Stier ein treiben." 
zum „Stier" hergerichtet. 
Ier Mer. b 
lllll! 
Seitenansicht 
o to 
Grundriß 
a der Stier 
b die Hörner des Stieres 
o Seile zum Ziehen 
<i der einzutreibende Keil (Pfosten) 
Es werden ihm Hörner 
eingesetzt unb an beiden 
Enden ein Seil zum Bor- 
unb Rückziehen befestigt. 
Auf einem Laben hat er 
zu rutschen. Die letzte 
iPlcttte — auf eitter 
langen Tenne auch 
mehrere — wirb zum „Keil" zugehobelt. Ein 
Teil der Arbeiter zieht aus ber Tenne, ber ctnbere 
in ber, „Ose" zurück. Auf einmal geht es nimmer. 
Nun wirb bie Bäuerin gerufen. Es wirb ihr 
erzählt, baß diese Woche um einen Tag länger 
sei als die andern und baß jeder doppelt Krapftn 
bekommen müsse. Sie geht nun zurück in das 
Haus und bringt die „Küachlpsann" und einen 
„Fünfmaßigen" mit. Auf der Tenne haben bie 
Zimmerleute „Krapfen", „Hasenöhrl", „Aepfl-
	        
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