Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

Bräuche, wenn der Innviertler baut 
„Innviertler Heimatkalender auf das Jahr 1910“ finden wir „Sitten und 
Bräuche", wie selbe eine Innviertler Bauernhochzeit bietet, geschildert. Als weiterer 
Beitrag zum Kapitel „Volkskunde" möge nachstehende Abhandlung über die Bräuche, 
wenn der Innviertler baut, gelten und vom geehrten Leser freundlich aus¬ 
genommen werden. 
Schon während des Winters — da hat man ja am meisten Zeit — wird ans 
dem Walde das zum Baue nötige Bauholz herbeigeschafft, auch Steine, Sand und 
Ziegel gefahren. Man muß rechtzeitig zum „Zuarichtu" schauen, damit die 
Handwerksleute, sind sie einmal da, in der Arbeit nicht ausgehalten werden. Selbst 
alles, weß man bedarf, herbeizubringen, ist dem Bauer nicht möglich. Deshalb bittet 
er die Nachbarn und guten Freunde um eine oder mehrere „Deanstsuhren." An 
einem „abgeschafften" Feiertage werden dieselben geleistet. Sie sind frei, doch 
bekommen die Knechte ein angemessenes Trinkgeld. 
Sobald der Osterjubel verrauscht ist, erscheinen die Maurer und Zimmerleute. 
Hausmütterchen muß in der Küche hurtig -schassen. Viel Gäst sind im Haus und 
alle kommen mit dem Glockenschlag zum heißersehnten Mahle. So früh, mittags und 
abends. Um 6 Uhr wird meist „Feierabend" gemacht. Der Bau schreitet rasch 
vorwärts. Die Gesellen müssen fleißig sein. Alle zwei bis drei Tage findet sich der 
Meister ein, das Geleistete zu besichtigen, neue Anordnungen zu treffen. Nachher 
ladet ihn der Bauer zum kleinen Imbiß — Fleisch und Bier — in die Stube. 
Wie schon beim „Zuarichtu" sind auch jetzt die Nachbarsleute gern hilfsbereit. 
Sie unterstützen nicht nur mit Geld und Fuhrwerk, sondern auch mit Milch, Schmalz 
und anderen Lebensmitteln. 
Gar manch Neugieriger kommt beim Besichtigen des Baues zum Handkusse. 
Ehe er's versieht, ist er „eing'schnürt." Mit Schnüren und Stangen wird ihm 
der Ausweg abgesperrt und singend umzingeln ihn die Zimmerleute: 
„Du hast dih Vergangn, 
Und mir Ham dih g'sanga. 
Mir sangan Gras'n, Fürst'n und Edlleut, 
Denn dös is nnsa Gerechtigkeit. 
Und, wer mtsa Arbat will betracht'n, 
Dars koa kloans Trinkgeld nöt acht'n. 
1/a hl Bier oder V4 hl Wein, 
Nachat wirst Wieda höflich entlassit fein!" 
Alt Samstagabenden unb besonders am Abende des Firstweines „lattln" 
die Zimmerer. Hoch auf betn Bane legen sie ein Brett über zwei Bäume (Balken), 
stellen sich vor demselben in ber Reihe auf unb schlagen mit ihren Hacken regel¬ 
mäßig im Takte barauf. Dies klingt unb hallt ftunbenweit. 
Enblich ist bas Gebäude ausgeführt. Der „Firstbaum" muß noch ausgesetzt 
werden. Doch währenb ber Nacht würbe er von Dieben enttoenbet. Nach langem 
Suchen sinben ihn bie Zimmergesellen, bie mit einem Wagen um benselben fahren, 
in ber Scheune eines Nachbars. Zu ihrer nicht geringen Freube baumelt an seinem 
Körper ein Fäßlein voll bes edlen Gerstensaftes. Nun soll ber Firstbaum aus den 
für ihn bestimmten Platz kommen. So leicht geht bies jedoch nicht. Mit „Ho" und
	        
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