Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

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er allenthalben mit der Hand von den leiten erreichen unb brechen mag vom Ueber« 
hang, das soll ihm zugehörig sein. 
Was aber desselben Baumes Ueberhang betrifft, soll es also gehalten werden, 
daß der, dessen der Baum ist, dem Nachbar, darauf der Ueberhang hängt, zum 
Auslesen zusagen soll. Alsdann sollen sie den Ueberhang miteinander brechen oder 
schütteln. Wenn dies geschehen, soll der Nachbar dem, deß der Stamm mit Recht 
ist, das Obst vom Ueberhang Halbs zuantworten. Der anbere halbe Teil soll sein 
bleiben. 
Von allen anberen Obst- ober sonstigen fruchtbaren Bäumen, so nicht gepelzt sinb, 
soll einem ber Ueberhang ganz bleiben. Wenn einem zum boßen (schütteln) ober 
brechen nicht zugesagt würbe, soll ber so ben Ueberhang hat, eine Leiter anzuwerfen 
Macht haben unb also seinen Teil auch boßen unb brechen. Wenn einer an einem 
Weg ober Zaun Obst- ober anbere Bäume zügeln wollte, es wären gleich hievor 
alle Bäume geftanben ober nicht, unb es hat sich der Baum mit Aesten dermaßen 
aufgebracht, baß niemanb an- noch burchfahren ober reiten möchte, so soll ber, so 
geirrt wirb, mit allem Fug herabzuhauen Macht haben. 
Aehnliche Bestimmungen enthielt auch bas Braunauer Ehaft. Wir führen nur 
eine Strafbestimmung an, bie zugleich ben Schutz ber Obstbaukultur bebingte: „Ein 
jeber, ber einen fruchtbaren Apfel-, Birn- oder einen anderen Baum zum Verkaufen 
oder eutfremdenderweife umhaut, soll von jedem Stamm um 1 fl. zur Strafe 
verfallen." (Braunauer Heimatkunde, 1. Heft.) 
Eine neue Blüteperiode des Obstbaues erfolgte nach dem 30jährigen Kriege 
infolge des regen Verkehres mit bem Auslanbe. Frembe Sorten, vor allem französische 
und holländische, wurden zahlreich nach Deutschland eingeführt. 
Ungünstiger war das 18. Jahrhundert mit feinen vielen Kriegen. Lamprecht 
erzählt aus der Zeit um 1705 von vielen Klagen der Bauern über die Soldaten, 
welche die junger Pelzer und andere fruchtbare Bäume verschnitten und zugrunde 
richteten. 
Ebenso störten die Entwicklung des Obstbaues die außerordentlich strengen 
Winter der Jahre 1739/40 und 1788/89. Fast alle Obstb äume erfroren. 
Ein neuer Aufschwung bes Obstbaues wie ber Obstbaukunde fetzte in ber zweiten 
Hälfte bes 18. Jahrhunberts ein; er erreichte seinen Höhepunkt durch Männer wie 
Christ, Diel, Sickler u. ct. Oberösterreich nahm an dieser Entwicklung teil durch 
den Chorherrn Joses Schmidberger in St. Florian und den Apotheker Georg Siegel 
in Braunau. 
Georg Siegel, der ant 1. August 1803 in Den Besitz der Braunauer 
Apotheke getreten war, begann sofort mit der Anlage von Baumschulen. Er hatte 
in den ersten Jahren aber mit sehr vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen. Als 
int Jahre 1805 Braunau die durchziehenden Teile bald der österreichischen, bald der 
russischen und französischen Armeen zu bequartieren hatte, wurde ihm sein Werk 
fast vollständig zerstört. Im Jahre 1808 legte Siegel auf dem Areal der ausgelassenen 
und demolierten Festungswerke neue Saumgärten an. 
Als aber 1809 neue Trnppendurchzüge stattfanden und 1810 zur Feier der 
Uebergabe der kaiserlichen Prinzessin Marie Suife an Kaiser Napoleon bei 20.000 Mann 
Soldaten in Braunau zusammengezogen worden waren, — in den Gärten Siegels 
erhielten Portugiesen ihren Sagerplatz — da war nach deren Abzug auch nicht eine 
Spur von den Bäumchen mehr übrig. Siegels Begeisterung für die Obstbaukunde 
(Pomologie) war dadurch aber nicht vernichtet. Er ging neuerdings an's Werk. Wir 
wissen, daß er in die Reihe der bedeutendsten Pomotogen, die es überhaupt gab, 
sich emporgearbeitet hat. Seine Gärten hatten nicht nur den Zweck, bie Obstkultur
	        
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