Volltext: Innviertler Heimatkalender 1911 (1911)

bau wirkt. Der Raum, den man gewann, indem man das Sechseck zum Quadrat 
ausbaute, — die zwei Ecken an der Ostseite meine ich — ist gut ausgenützt und 
verwendet. Ohne daß die Kirche Seitenschiffe hat, ließen sich hier Nebenaltäre an¬ 
bringen. Die Ueberführnng des Gewölbes in die Wand ist aber recht wenig geglückt. 
Diesem Mittelbau schließt sich gegen Osten das Presbyterium an, das mit 
fünf Seiten des Achteckes schließt, nach Westen setzt es sich noch fort, um eine tiefe, 
die ganze Breite der Kirche einnehmende, auf vier Kreuzgewölben ruhende Empore 
zu tragen. Es ist einer der schönsten Blicke, wenn man vom Hauptaltare zur Orgel 
sieht, die selbst wieder auf Säulen erhöht ist. Hinter dem einheitlich den Raum über¬ 
spannenden Sterngewölbe trifft der Blick auf ein zweigeteiltes, neu ansetzendes 
Gewölbe über der Empore. Dieses reicht in der Mitte, wo der Blick eben von der 
höchsten Erhebung des Mittelraumes herabkommt, am weitesten herunter und steigt 
wieder dort, wo das Hauptgewölbe sich senkt. Ein kraftvolles Leben tut sich dem auf, 
der diese Sprache der Steine und der Linien versteht. 
Das Pfründhaus ist der Kirche vorgelegt und bildet mit ihr eine Einheit. Der 
Eingang zur Kirche führt durch das Pfründhaus, und wenn man in das obere 
Stockwerk desselben gelangen will, muß man über die Empore der Kirche gehen. 
Man tritt da in einen mit Netzgewölbe überspannten Raum, eine Art Flur oder 
Fletz. Nach rechts und links führen von hier aus die Gänge des Hauses. Dieser 
Fletz selbst aber ist Gott geweiht. Dem Eingang gegenüber an den bis auf den 
Boden herunterreichenden Gewölberippen — fast selbst diesen gleich werdend — befestigt, 
hängt ein Kreuz; zu seinen beiden Seiten fällt das Licht durch zwei kleine quadratische 
Fenster. Es ist ganz merkwürdig, wie die paar geraden Linien wirken im Gegensatze 
zu den Kurven des Gewölbes. An den Seitenwänden sind Steinbänke eingemauert. 
Selbst die unpassende Bemalung kann den Zauber dieser Kapelle nicht völlig 
zerstören. 
Die Rieder Spitalskirche scheint nie einen größeren Turm gehabt zu haben. 
Der Brauuauer Meister konnte gerade hier noch einmal sein feines Empfinden 
zeigen. Auf festen, viereckigen, viermal abgestuften Unterbau setzte er zwei weitere, 
leichtere, achteckige Stockwerke und krönte dann das Ganze mit dem schlanken acht- -I 
eckigen Holzhelme. Sehr glücklich ist der Uebergaug vom Viereck zum Achteck durch 
Fialengruppen verdeckt, nicht weniger glücklich die äußerste Schlichtheit hier festgehalten. 
Nur die verschiedene Behandlung der Steine bringt Schmuck. Der Turm steht — ,« 
das war im 15. Jahrhundert üblich und auch bei der Pfarrkirche ists so — an der 
Längsseite des Schiffes. Aber man denke sich ihn einmal weg! Jst's nicht, als ob 
die Kirche ganz verschwände neben dem Pfründhaus? Als ob sie eine bloße Kapelle, 
ein Anhängsel würde? Und nun sehen wir, mit welchem Bedacht der Meister ihn 
gerade an seine Stelle setzte, wie er dadurch die Selbständigkeit der Kirche rettete. 
So dient er jetzt architektonischen Zwecken, erfüllt seine Aufgaben als Teil des 
Gotteshauses und erfreut in seiner schlanken Schönheit noch unser, der späten Enkel¬ 
kinder, Augen. 
Ried. Dr. Wilhelm Gärtner. 
■gSolfisrätscl 
Der's macht, der braucht's nöt; 
der's kauft, der will's nöt; 
unb der's braucht, der weiß 's nöt. 
(Totenbahre.)
	        
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