Volltext: Innviertler Heimatkalender 1910 (1910)

wagen befindet sich die Braut, Kranzljungfer und die Schluderin 
(Ehrenmutter, Stellvertreterin der Mutter der Braut, welche nie an 
der Hochzeit teilnimmt). 
Der Bräutigam und die übrigen Hochzeitsgäste versammeln sich 
im Gasthause. Während der Fahrt zur Hochzeit wirst oder schleudert 
die Schluderin Krapfenstückeln und die Braut Geldstücke aus. Nach ein¬ 
genommenem Frühstück erfolgt der Einzug in die Kirche unter Vor¬ 
antritt der Spielleute. Der Prokurator ordnet den Zug. Es folgen 
Brautführer mit Braut, Bräutigam mit Kranzljungsran, Goden und 
Göden, Jungfrauen, Jungherren und die übrigen Hochzeitsgäste. 
Früher wurden die Zechpröpste, der Mesner, Organist, Pfarrer 
und die Sänger von der Schluderin (Ehrenmutter) mit Krapfen be¬ 
teilt,- welche die große Dirn in einem Korbe neben der Hochzeiterin ge¬ 
tragen hat. Heute erfolgt die Beteilung mit Zuckerhut, Torten und 
Zitronen. 
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß Goden und Göden unter 
den Festgästen an erste Stelle treten. 
Prokurator, Brautführer, Bräutigam und Tranuugszeugen tragen 
am Arm als äußeres Zeichen der Festwürde einen aus Kunstblumen 
hergestellten Strauß, Favor genannt (Favour, Gunst, Begünstigung, 
Ehre erweisen). Als Zeichen der Jungfrauschaft wird Rosmarin ge¬ 
tragen. 
Ist die Trauung vorüber, so kehrt der wiederum mit Mnstk be¬ 
gleitete Hochzeitszug ins Gasthaus zurück, wo sie vou den Wirtsleuteu ' 
empfangen und in die Hochzeitsstube geleitet werden, und die Musik 
spielt zum Ehrentanz. Die weiblichen Hochzeitsgäste wechseln hierauf die 
Kleider. Zum Tauz erschienen sie früher in Leibröcken, Sittelleibt, bunt¬ 
farbig und schön ausgenäht, dazu weiße Hemdärmel. Die Burschen 
tanzten ebenfalls in Hemdärmeln. 
Nun beginnt die eigentliche Hochzeitstafel, welche mit Unter¬ 
brechungen bis zehn oder elf Uhr nachts dauert. Die Gerichte der 
Tafel waren ortsweise verschieden,' sie bestanden hauptsächlich im oberen 
Jnnviertel aus Lüugerl, Bratwurstsuppe, Leberknödel- und Nudelsuppe, 
Rindfleisch, Braten, Soßfleifch, Geselchtes und Weinbierlsuppe. Letztere 
bildete meistens den Schluß der Tafel und war zugleich das Zeichen 
zum Zahlen des Mahlgeldes, daher auch teure Suppe genannt. Alle 
Gäste zahlen das Mahlgeld bis auf das Brautpaar, die Freigäste des, 
Wirtes sind; für den Prokurator, Brautführer, die Kranzljnngfrau 
und Schluderin zahlt der Bräutigam. 
Vou den Tänzen folgen Jungfrauen-, Bnama-, Männer- und 
Weibertanz; der letzte Tanz der Hochzeit wurde Besen- oder Kehraus¬ 
tanz genannt. 
Gegen Abend wird die „Hochzeiterin" gestohlen, gewöhnlich von 
den Zechkameraden des Bräutigams. Im Wildshnter Bezirk z. B. 
rückt die ganze Sippe mit Laternen und Besen aus, die Verschwun¬ 
dene dem rechtmäßigen Eigentümer zurückzubringen. Weinend und mit
	        
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