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Der Sommerfeldzug 1914 gegen Rußland
Wie am 31. August, so bewahrte der Feind in Ostgalizien auch am
1. September auffallende Zurückhaltung (Beilage 11). Bei der Gruppe
Daempf dauerte der Kampf ohne Entscheidung, aber auch ohne un¬
günstige Wendung in den bisherigen Räumen fort. Das 3. Armeekmdo.,
das sich am Vortage nach Gródek begeben hatte, kehrte nach Lemberg
zurück, um die Leitung der Abwehr selbst in die Hand zu nehmen. Es
war allerdings dringend zu wünschen, daß die Russen dem XI. und dem
III.Korps, von diesem namentlich der 22.SchD., noch etwas Ruhe gönnten.
Weiter südlich hatte Gdl. Kövess 4500 Mann seines Korps bis Dorn¬
feld gebracht. Da ihnen eine Mitwirkung an etwaigen Kämpfen zur
Behauptung Lembergs in den nächsten Tagen nicht zugemutet werden
konnte, wurde ihnen die Fortsetzung des Rückmarsches in Erholungs¬
quartiere bei Lubien Wk. und Komarno aufgetragen, wobei die 4. KD.
und die 105. LstlBrig., beide in besserer Verfassung, die Bewegung zu
verschleiern hatten. Von der 2. Armee gelangte das VII. Korps samt der
20. HID. und der 8. KD. beiderseits des Dniesters in den Raum von
Mikolajów. Die übrigen Heereskörper waren zwischen Stryj und Sta-
nislau gestaffelt. Die 35. LstlBrig. hatte sich von Czernowitz westwärts
gezogen und die Verteidigung der Bukowina befehlsgemäß den Gen¬
darmeriemilizen des Obstlt. Fischer überlassen. Das IV. Korps begann bei
Sambor und Chyrów auszuladen, zwei weitere Brigaden, die 102. LstlBrig.
und die 7. MaBrig., rollten über Munkács nach Stryj an1).
Im Falle der Feind Lemberg angriff, hatte sich das VII. Korps
bereitzuhalten, entweder gegen die 3. Armee flankierend einzugreifen
oder, wenn die Russen hiezu Zeit ließen, die vom XII. Korps hinter-
lassene Lücke zu füllen.
Nun spannte freilich, was die Frage der Behauptung Lembergs an¬
betraf, die 4. Armee das AOK. am 1. September noch einmal für lange,
bange Stunden auf die Folter. Der tags zuvor angekündigte große Erfolg
schien wieder auf sich warten zu lassen. Wenn er am Ende ganz aus¬
blieb, sah Conrad keine andere Lösung als die, die Armeen sofort hinter
den San zurückzuführen2). Da fiel endlich um 9h30 abends das erlösende
Wort aus Narol: der Feind befand sich in vollem Rückzüge.
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*) Die gefahrdrohende Lücke, die während der Schlacht bei Komarów zwischen
der 4. und der 1. Armee entstanden war, ließ das AOK. zunächst erwägen, das vom
Balkan heranrollende IV. Korps in diesen Raum zu werfen. Die übermäßige Bean¬
spruchung der Bahnen im Schlachtbereich verhinderte die Ausführung dieser Absicht
(Mitteilung der damals in der Operationsabteilung des AOK. als Hauptleute eingeteilten
Generalmajore Kless und Brantner).
2) Conrad, IV, 606. — Freytag-Loringhoven, 225.