Vorbereitungen im Frieden
Hiefcu Beilagen 1 bis 5
Maßnahmen für die einzelnen Kriegsfälle
Von den Mächten, die Österreich-Ungarn umgaben, waren Rußland
und seine beiden Balkanschützlinge Serbien und Montenegro mindestens
seit einem Jahrfünft Gegner mit offenem Visier. Aber der österreichisch¬
ungarische Generalstab durfte sich bei seinen Erwägungen nicht auf diese
beiden Kriegsfälle beschränken. Es gab außer den genannten Nachbarn
noch zwei bedenkliche Fragezeichen im Konzept: Italien, das seit 1882
dem Dreibund angehörte, dessen Verhalten aber — zum mindesten seit
der Jahrhundertwende — genug Anlaß zu Mißtrauen bot, und Rumänien,
das 1883 ein seither mehrmals erneuertes Militärabkommen mit Öster¬
reich-Ungarn abgeschlossen hatte1), jedoch seit dem Balkankrieg 1912/13
gleichfalls verstimmt zur Seite getreten war. Gdl. Freih. v. Conrad hatte
im Dezember 1912 in Bukarest noch selbst Vereinbarungen für ein Mit¬
gehen Rumäniens gegen Rußland getroffen2). Er rechnete aber seit dem
Sommer 1913 mit dieser Hilfe nur mehr sehr bedingt. Noch weniger
hoffte er auf die Erfüllung der Abmachungen, die im Winter darauf
zwischen den Mittelmächten und Italien3) über den Einsatz von drei
Korps und zwei Kavalleriedivisionen im Elsaß zustande gekommen waren.
Inmitten haßerfüllter, landhungriger Feinde und unverläßlicher Freunde
blieb der Donaumonarchie nur ein wirklich verläßlicher Bundesgenosse
übrig — Deutschland, das in gleicher Weise lediglich mit der Waffen¬
brüderschaft Österreich-Ungarns rechnen durfte. Es war eine genug
schwierige Lage, die es erklärlich macht, daß Gdl. Conrad als voraus¬
sichtlicher Feldherr seit 1907 immer wieder den verzweifelten Gedanken
erwog, den Ring der Widersacher in einem günstig erscheinenden Augen¬
blick wenigstens nach einer Richtung zu sprengen und so der drohenden
1) Vgl. vor allem Pribram, Die politischen Geheimverträge Österreich-Ungarns
1879—1914 (Wien 1920), I, 128 ff.
2) Conrad, Aus meiner Dienstzeit 1906—1918 (Wien 1921—1925), II, 363 ff.
3) Ebenda, III, 85 ff.
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