Die ersten Grenfcgefechte
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Deutschland abgeschlossen und die allgemeine Mobilisierung verfügt1).
Man durfte hoffen, Griechenland durch die Türkei zu binden.
Angesichts der von Tag zu Tag ungünstiger werdenden allgemeinen
politischen Lage der Mittelmächte bedurfte es aber wohl eines anspor¬
nenden ersten Erfolges gegen Serbien, um die Bulgaren mitzureißen und
die Bedenken zu überwinden, die in Sofia noch immer wegen Rumäniens
vorwalteten. Um der befristeten Note an Serbien das Überraschungs¬
moment zu sichern, hatte man jede militärische Vorbereitung zur Be¬
setzung Belgrads sofort nach der Kriegserklärung unterlassen2). Der Be¬
sitz der Hauptstadt wäre ein wertvolles Faustpfand für allfällige Ver¬
handlungen mit den anderen Mächten gewesen. Nunmehr verzehrte man
sich am Ballhausplatz in Ungeduld nach einem Waffenerfolg, der infolge
der durchwegs minderen Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen in Süd¬
ungarn und Bosnien selbstverständlich auf sich warten lassen mußte.
In politischer Hinsicht fiel überdies noch eine andere Erwägung ins
Gewicht. Eine größere Schlappe gegen das kleine Serbien war zweifel¬
los viel verhängnisvoller als ein Mißerfolg gegen das übermächtige
Zarenreich; sie untergrub das Ansehen Österreich-Ungarns in den Augen
aller Welt, insbesondere aber auf dem Balkan, wo man eines Erfolges
zur Werbung von Bundesgenossen so sehr bedurfte.
All dies beeinflußte die Entschlüsse Conrads. Hatte er im Geiste
vorübergehend schon auf jede Offensive gegen Serbien verzichtet, so
gedachte er nun doch in der Sorge ob eines etwaigen, Bulgarien und
andere Balkanstaaten abschreckenden Mißerfolges an Stelle der nach
Norden abgehenden Streitkräfte das IV. Korps an der Save zu belassen.
Unterdessen waren an den Grenzen längst die ersten Schüsse ge¬
fallen. In der Nacht vom 28. auf den 29. Juli hatte serbische Infanterie
in Belgrad einen stromaufwärts fahrenden Schleppschiffzug beschossen.
Als Artillerie aus Semlin und die Donauflottille antworteten, sprengten
die Serben ungesäumt ein Feld der großen Eisenbahnbrücke. Vom 29.
an bekämpften Donauflottille und Landgeschütz Befestigungsarbeiten und
militärische Anlagen im Bereiche der serbischen Hauptstadt. Am viel¬
verzweigten Unterlauf der Drina kam es zu Scharmützeln. Bei Rogacica
und Bajinabasta über die Drina vorgebrochene Banden wurden verjagt.
Bedeutsamer als diese verhältnismäßig untergeordneten Kampf¬
handlungen waren für die weitere Entwicklung die Vorstöße, die von
!) Deutsche Dokumente, III, 167.
2) Kisfcling, Die praktische Undurchführbarkeit eines Handstreiches auf Bel¬
grad (Die Kriegsschuldfrage, Jhrg. 1927, 3. Heft).