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Die Anwesenheit zweier Karabinierioffiziere sowie eines Polizei-
funktionärs, welch letzterer bereits mit der Lokalpolizei zusammen¬
wirkt, läßt darauf schließen, daß eine Reorganisation der ein¬
heimischen Gendarmerie und Polizei geplant ist.
88.
Graf Berchtold an Freiherrn yon Macchio.
Erlaß. Wien, am 4. Jänner 1915.
Der deutsche Botschafter hat mir heute — 4. Jänner — auf¬
traggemäß zwei lange Berichte des Fürsten Bülow aus Rom über
Unterredungen mit Baron Sonnino und Herrn Giolitti, betreffend
die Haltung Italiens gegenüber der Monarchie, verlesen.
Der Inhalt dieser Berichte läßt sich im nachstehenden zu¬
sammenfassen.
Beide italienischen Staatsmänner beteuern ihre dreibundfreund¬
lichen Gesinnungen und bedauern, daß es Italien nicht möglich
war, an der Seite der Alliierten in den Kampf einzutreten. Man
dürfe nicht vergessen, daß der Krieg Italien unvorbereitet getroffen
habe, daß sich Österreich-Ungarn nicht mit der italienischen Re¬
gierung ins Einvernehmen gesetzt habe, bevor es die Note ¿an
Serbien gerichtet hatte, daß die letztere in einem aggressiven Tone
abgefaßt war, der in Italien den übelsten Eindruck machte, und
daß in Italien allgemein die Ansicht verbreitet sei, Österreich-Ungarn
könne bei seinen inneren Zuständen keinen Krieg führen und sei
dem Untergange geweiht.
Dazu müsse man sich die Situation Italiens vor Augen halten,
die Erregung der öffentlichen Meinung, die Unmöglichkeit für die
Dynastie, sich zu'erhalten, wenn Italien keinen territorialen Gewinn
aus dem Weltkriege ziehe, und die Notwendigkeit, aus diesem
Grunde zu rüsten.
Als territoriale Kompensation wurde das Trentino genannt mit
dem Hinweise darauf, daß dies von vielen als ungenügend be¬
zeichnet werde, da die Aspirationen sich vielfach auf Triest er¬
strecken.
Viele Kreise in Italien wünschten allerdings die Erhaltung des
Friedens und perhorreszierten ein Abgehen von der Neutralität,
dafür schlagen aber die in der Minderzahl befindlichen Kriegshetzer
um so mehr Lärm und sei es bekannt, daß in Italien die Schreier
meistens die Oberhand behalten.
An diese Mitteilung anknüpfend, war der Botschafter beauf¬
tragt, die Wichtigkeit zu betonen, den Faden der aufgenommenen
Konversation mit Italien nicht fallen zu lassen und beizeiten zu
einem gütlichen Ausgleiche zu kommen.
Ich bemerkte Herrn von Tschirschky, daß bekanntlich eine