Volltext: Studien zur Weltkrise

wollen — aber eö überzeugt gewiß nicht. Die vielen Klagen, 
die über dem Grabe des alten Polen erklungen sind, können 
unö nicht über den Anteil irre machen, den das Volk selbst 
damals an seinem Geschick hatte. Wenn jemals ein Volk 
in individueller Selbstherrlichkeit seiner Auflösung entgegen¬ 
ging, so war -es das damalige polnische. So wurde dieser Staat 
zu einen: wahren Herd der Anarchie, voll Ansteckungsgefahr 
für seine Umgebung, die daraus den Anlaß zum Eingreifen 
nahm. Der niedrige Stand des nationalen Einheitsgefühles 
brachte den Staat in Gefahr und ließ zugleich dessen Wider¬ 
standskraft in der Gefahr erschlaffen. Unser natürliches Mit¬ 
leid mit dem großen Leiden kann uns nicht dazu verführen, 
das Organische dieses Schicksals zu übersehen: es erscheint wie 
eine Exekution an einem Volke, das im Grunde selbst sein 
Urteil gefällt hat. 
Dieser Gesichtspunkt befreit die Vollstrecker der Strafe 
nicht von aller Schuld; aber es zeigt das Volk selbst als mit¬ 
schuldig an seinem Geschick und zwar bis zu dem Grade, 
daß diese Mitschuld schließlich als Kern des ganzen Pro¬ 
blemes erscheint. Wenn Polen am 5. November 1916 die 
Garantie für staatsrechtliche Freiheit und völkerrechtliche 
Einheit erhielt, so beweist das, daß auch die polnische Nation 
ihre historische Schuld nunmehr abgetragen hat. Durch den 
Verfall der Nationalität hat sie sich selbst zum Schattendasein 
und zur Schande der Unterdrückung und der Fremdherrschaft 
verdammt. Die schwere Prüfung aber hat allmählich die 
Selbstherrlichkeit gedämpft und das Nationalgefühl zu neuem 
Aufstieg erweckt. So hat der äußere Druck wieder gutgemacht, 
was unbändige Freiheit verfehlt hat. Gemeinsames Leiden 
wurde eine Taufe zur Besserung. Und als die Buße vollendet 
war, kam die Verzeihung. . . . 
174
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.