der Flanke zu bedrohen. Die Belgier genießen mithin des gleichen Vorteils,
der Turenne einst erlaubte, nach Gefallen ostwärts oder nordwärts zu rücken.
Das belgisch-französische Bündnis rührt also, aus der franzö
sischen Perspektive betrachtet, an das Verhältnis, das England zu Lolland
und zum Rheinproblem unterhält, und wird, allgemein betrachtet, ohne
Zweifel durch das englisch-französische Weltverhältnis bestimmt. Die Bel
gier stehen auf ihrem eigenen Boden auf französischem Nordglacis, ihre
Rückzugslinie verläuft nicht mehr in osiwestlicher Richtung parallel zum
holländischen Küstensaum, nähert sich nicht mehr den flandrischen Gestaden,
sondern meidet die Nähe der von Lolland und England beherrschten mari
timen Zone und verknüpft, südwestlich streichend, das belgische Borgelände
mit der kontinentalen französischen Operationsbasis. Belgien ist also, so
sehr es auch bedacht sein mag, enge freundschaftliche Beziehungen zu Eng
land zu unterhalten, eine Bindung eingegangen, die es von England ent
fernt und ihm keine Wahl mehr läßt, wenn England und Frankreich sich
gegeneinander kehren.
Belgien hat daher das größte Interesse an der Erhaltung des englisch
französischen Einvernehmens und vertrat seine eigene Sache, als es sich nach
dem Kriege zum Mittler zwischen England und Frankreich zu machen suchte.
Die belgischenMinister eilten nicht umsonst, den Abschluß derMilitärkonven-
tion zu rechtfertigen und zu erklären, daß die Abkunft bestimmt sei, die
Sichenmg des Friedens zu gewährleisten,und daß Belgien sich an Frankreich
und an England anlehnen müsse. Sie sagten,W esteurop a müsse am Rhein
und an der Maas verteidigtund Belgien, Frankreich und England zu diesem
Zwecke in einem Verteidigungsbündnis vereinigt werden. Man müsse als
Belgier zu gleicher Zeit profranzösisch und proenglisch sein können. Diese
Worte enthüllen das Zwangsverhältnis, in das Belgien verstrickt liegt.
Dieser Zwang lastet auch auf Belgiens afrikanischem Besitz. Auch die
Kongokolonie, der nicht ohne Grund ein Gebietzuwachs aus deutschen
Spolien zuteil wurde, erscheint neugelagert. Der afrikanische Kontinent stellt
sich nach der Aufteilung der deutschen Kolonien als ein englisch-französischer
Raum dar, in dem die spanischen, italienischen und portugiesischen Be
sitzungen ertrinken. Der belgische Kongo ist zum zentralen Pufferstaat ge
worden und ist als solcher ein Pfand in der Land seiner Anrainer.
Belgiens Zukunft ist der Gestaltung des englisch-französischen Welt
verhältnisses überantwortet. Kontinentale Bindung und maritime Rand-
stellung lasten auf der neuerstandenen europäischen Macht. Auch sie sorgt um
ihre Sicherheit, denn auch sie ist in das Rheinproblem verstrickt. Eupen und
Malmedy sind teuer erkauft. Lätte Belgien, das durch den strategischen
deutschen Vormarsch aus der labilen Ruhelage geschleudert wurde, im
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