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hörte nicht auf, die Luft mit Klagen zu erfüllen, daß es jeglicher Sicherheit
entbehre, bis man im Jahre 1925 daranging, einen neuen Vertrag zu
schließen, der bestimmt sein soll, Frankreich Sicherheit zu gewähren und
Europa den Frieden wiederzugeben, der noch einmal auf einen deutschen
Verzicht gegründet worden ist.
Als Deutschland am 9. Februar 1925 ein Memorandum nach Paris
richtete, das die englisch-französischen Paktverhandlungen auf einen Schlag
vom Fleck rückte und das Spiel zu zweien scheinbar in eine Partie ä trois
verwandelte, betrat Deutschland ein Feld, auf dem die Gegner längst alle
Entfernungen abgesteckt und alle Vorteile vorweggenommen hatten. Keine
Macht hat sich des Völkerbundes zu diesem Zwecke zielsicherer, zweckbe-
wußter und großzügiger zu bedienen gewußt als Frankreich.
Frankreich hat sich in Washington mit Glück der Verminderung seines
Landheeres widersetzt und im Jahre darauf in Genf einen Beschluß des
Völkerbundes erzielt, in dem ausdrücklich festgestellt wurde, daß die Welt-
läge einer Reihe von Regierungen nicht erlaube, die Verantwortung für
eine Verminderung der Rüstungen zu übernehmen, sofern nicht ausreichende
Bürgschaften für die Sicherheit ihrer Länder geschaffen werden könnten.
Dieser Beschluß stärkte Frankreichs Stellung im diplomatischen Kampfe
mit England, ließ das Föderatverhältnis Polens und der Tschechoslowakei
zu Frankreich als militärische Notwendigkeit erscheinen und rechtfertigte
Frankreichs furchterregende Rüstung. Als der Völkerbund im Jahre 1924
daranging, die Gründungsakte einer Durchsicht zu unterziehen, um den
15. und den 16. Artikel schärfer zu fassen, dem Kriege dadurch vollends
den Weg zu versperren und vor allem dafür zu sorgen, daß der Angreifer
als solcher unzweifelhaft festgestellt und jeder wie immer geartete Streitfall
einem Schiedsgericht unterworfen werden konnte, stand Frankreich nicht
nur in der ersten Reihe der Befürworter und Verteidiger dieses „Proto
kolls", sondern machte sich sogar zu seinem Vorkämpfer. Frankreich hat sich
dafür eingesetzt, weil das Protokoll ihm in allen wesentlichen Fragen
Genüge tat. Das Protokoll umgab die französische Machtstellung mit den
stärksten internationalen Rechtssicherungen und diente Frankreich als Waffe
im Kampfe mit England.
Bestimmte doch das Protokoll ausdrücklich, daß Lösungen, die schon
früher den Gegenstand einer einstimmig gefaßten Empfehlung des Völker
bundsrates gebildet hatten und von einer der beteiligten Parteien ange-
nommen worden waren, nicht mehr vor ein Schiedsgericht gebracht werden
sollten, daß also alle Rechte, die Frankreich aus dem Vertrage von Ver
sailles hergeleitet und in Genf hatte schützen lassen, als auf ewig zuge-
sprachen galten. Das feingeschmiedete Friedensinstrument, dem zur abso-