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Die Revolutions kriege werden zu Eroberungskriegen, die den franzö-
fischen Machtbereich bis zum Ostsaum des rheinischen Stromgebiets er
strecken. Napoleon erobert den Rhein an der Etsch und reißt ihn
bei Marengo vollends von Deutschland los. Das europäische Gleich,
gewicht ist bis auf die Grundmauern zerstört, denn Frankreich beherrscht
den Strom von der Quelle bis zur Mündung, beherrscht die Donausenke,
die Mainpforte, die Saalepforte und die Osningpässe. Das Stromgebiet
des Rheins ist in eine Land zurückgekehrt und liegt einem Cäsar roma-
nischen Geblüts zu Füßen, der, auf cäsarische Stratageme gestützt, Groß
britannien vom Rhein aus beherrscht. Frankreich ist Lerr in Deutschland
und damit Lerr über den alten europäischen Machtkomplex, dessen Ost-
grenze vom Kurischen Lass zu den Karpachm läuft. Europa ist der Ein
wirkung Englands entzogen, England selbst in seine insulare Stellung zurück-^
geworfen, obwohl der allgemeine Stand der Technik Frankreich die Be
setzung Großbritanniens noch nicht gestattet und die britische Flotte die
Meere beherrscht. Austerlitz und Jena verschalten Abukir und Trafalgar.
Als England den Kampf unermüdlich fortsetzt, von dem es nicht lassen
kann, ohne fich selbst aufzugeben, schwindet der Kampf um den Rhein aus
der Vorstellungswell Napoleons. Der Korse verschüttet Europa, um Eng-
land niederzuwerfen. Die Erdfeste zieht mit ihm gegen das Meer zu Felde.
Aber auch Napoleons Llniversalreich ruht auf der Bafis, die ihm der Be
sitz des Sttomgebiets des Rheins gewährt. Bon hier aus bedroht er die
Welt. Als er, von den Elementen gescheucht, aus Rußland zurückkehrt,
kämpft er im Schlüsselgebiet zwischen Oder und Elbe vor dem Saalepaß
«nbezwungen, bis er, vom Opfermut der nach Befteiung lechzenden Völker
bei Leipzig erdrückt, für immer aus Deutschland weichen muß. Er wird ge-
nötigt, auf einen Zug hinter dm Rhein zu weichen, denn im Sttomgebiet
braust der Sturm des aufstehenden deutschen Volkes, und mit dem Verlust
des rechtsrheinischen Glacis fintt der Kampf, finkt das Aufmarschgebiet am
Rhein, sinkt Frankreichs Hegemonische Macht in fich zusammen. Aber
Napoleon denkt so wenig an den Verzicht auf den Rhein, wie das von ihm
beherrschte Volk der Franzosen. Frankreich scheidet ohne Verzicht aus den
Napoleonischen Kriegen. Das größte Weltverhältnis, in dem der Korse fich
bewegte, war sein Kampf mit England, aber der Rhein stießt auch auf dem
Grunde dieses Konstikts, und als Napoleons Asche im Jahre 1840 an die
Seine zurückgebracht wird, ruft man in Frankreich wieder nach Belgim
und dem Rhein.
Die letzten Bourbonen, Karl X. und Louis Philipp, erneuerten den An-
spruch Frankreichs auf den Rhein, und Napoleon III. griff zum Mittel der
Kompensationspolitik, um ihn zurückzugewinnm. So zog sich das Verlangm