Volltext: Das Trugbild von Versailles

Tutrakan, Topraisar und Constantza stürmt, bei Svistow die Donau 
überschreitet und die Schlacht am Arges erneuert, so bleibt der niederge- 
worfene Bulgare doch ein unversöhnlicher, von unerschütterlichem Willen 
zur Selbstbehauptung erfüllter Feind. Im Osten aber ist das ausgestoßene 
Rußland heute schon stark genug, der Forderung auf die Rückerstattung 
Beßarabiens Ausdruck zu leihen, obgleich es das Schwert noch nicht zu 
ziehen vermag. Die Anmeldung des russischen Anspruches hat genügt, 
Rumänien am Dnjestr und am Pruth in exzentrischer Stellung zu binden. 
Groß-Rumänien ist also aufdrei Fronten zu angespannter Verteidigung ver- 
urteilt. Der Besitz Siebenbürgens hilft zwar den Besitz des Ganzen sichern, 
aber der Rumäne ist nicht stark genug, dieses Land zur Kernfeste seiner 
Macht zu erheben. Es kann Bukarest und Jassy um Brassos willen nicht 
enterben. Die überragende ttanssylvanische Zenttalstellung ist als süd- 
östliche Eckstellung der Zirkumvallatio n Mitteleuropas 
wertvoll, aber die Politik Groß-Rumäniens findet in ihr keine wirksame 
Stütze. 
Der rumänische Machtkreis ruht heute in einem Zirkel, der mit einem 
Radius von rund 270 Kilometern Länge um die alte Siebenbürgener 
Sachsenfeste Schäßburg geschlagen wird. Er umfaßt Siebenbürgen, die 
Moldau und die Walachei und wird durch die Orte Orsova, Arad, Czer- 
nowitz und Galatz und den Lauf der Pruth und der Donau peripherisch be- 
stimmt. Beßarabien und die Dobrudscha erscheinen als exzenttisch gelagerte 
Glacis. Aber selbst dieser verkleinerte Kreis wird von der Natur in das 
Reich politischer Konstruktionen verwiesen, denn er entbehrt der räumlichen 
Geschlossenheit. Der Riesenwall der Karpathen reißt ihn mitten ausein 
ander. Es bleibt daher nichts übrig, als den Radius auf etwas weniger als 
die Lälfte, auf 140 Kilometer, zu verringern, um den Amfang des zenttalen 
Gebirgsringes festzustellen, der das rumänische Machtgebilde gewissermaßen 
in der Schwebe hält. Dieser Zenttalraum wird durch das Latszeger Tal, 
Pettoseny, Ocna, Campina, den Oitozpaß und die Enge von Dorna Watta 
peripherisch bestimmt. Er umschließt eine zurückgebogene Gebirgsstellung 
von großer natürlicher Stärke, aber er beherrscht die nach außen abstürzenden 
Gebiete mitnichten. Die Moldau, die Walachei und die zur Theißebene 
absteigenden ttanssylvanischen Vorlande liegen außerhalb der sich selbst 
schützenden Sphäre. 
Rumänien kann sich der Siebenbürgener Naturfestung um so weniger 
bedienen, je stärker es auf dem beßarabischen Glacis, weitab von der ur- 
sprünglichen Operationsbasis, gebunden wird. Kommt der Russe, so muß 
der Rumäne ihm zuerst am Dnjestr in der Linie Akkerman—Chotin, dann 
am Pruth in der Linie Remi—Czernowitz und zuletzt am Sereth in der 
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