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XI.
Die raumpolitische Aufgabe der Rumänen
Ms Sieb enbürg en sich im 17.Jahrhundert zum Träger des ungarischen
Staatsgedankms machte und gegen Österreich zu Felde zog, wirkte in der
Stoßkraft, die es dreimal vor die Tore Wiens fiihrte, und in der Leichtig-
keil, mit der es sich zu Verabredungen mit Frankreich herbeiließ, vielleicht
doch die geographische Randlage, die es damals zwischen Orient und Okzi
dent einnahm. Zwar öffnet sich das transsylvanische Lochland gleich der
böhmischen Kessellandschaft, mit der es viele Wesmszüge gemein hat, ein
wärts, aber es ist doch geschichtlich stärker mit dem Osten verknüpft wordm
als die himmelanstrebende Gebirgsscheide erkennen läßt. Siebenbürgen hat
diese Verknüpfung nicht sklavisch erduldet und ist sich seiner Überlegenheit
über das oft-und südwärts vorgelagerte Donau-Serethtiefland stets bewußt
geblieben. Das centrum gravitatis lag nicht jenseits, sondern diesseits
des Karpachenkammes, wenn je Transsylvaniens Schicksal mit dem der
Walachei, der Moldau und der Bukowina verflochten wurde. Die Unter
ordnung des transsylvanischen Fürstentums unter das türkische Sultanat
beweist mitnichten das Gegenteil, obwohl sie 150 Jahre bestanden hat,
denn sie wurde nicht durch die türkische Machtstellung in der Walachei,
sondern durch die Beherrschung der ganzen Donaufront und im besonderen
durch den türkischen Aufmarsch in der Linie Belgrad—Budapest bedingt.
Der Fürst von Siebenbürgen bewahrte als Vasall des Padischahs eine
wahrhaft fürstliche Stellung und richtete seine Politik nicht nach dm
Weisungen des Diwans. Richt umsonst sagte man am Bosporus von
Bechlen GLbor: „Dieser Ungläubige hat dm Armeen des Sultans nie
geholfm, sondern immer nur an sein eigmes Land gedacht."
Leute ist das geographisch begründete Verhältnis Siebenbürgens zu dem
walachisch-moldavischm Tiefland auf den Kopf gestellt. Die Schöpfer des
Trugbildes von Versailles haben Siebmbürgen, das Banat, Beßarabien
und die ganze Dobrudscha in rumänische Farbm getaucht, das Bojaren-
tum der Walachei und der Moldau zur Lerrschaft über die alten Rationen