Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

Seite 94. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 12. 
Kurzen Prozeß machen. 
Es ist schon wiederholt vorgekommen, daß Hand¬ 
werker im Baugewerbe, wenn sie von dem Bauunter¬ 
nehmer und Spekulanten kein Geld erhalten konnten, zur 
Selbsthilfe griffen und ihre Waren wieder zurückholten 
oder wenn man, wie beim Maler, die Arbeit nicht weg¬ 
holen kann, ihre Arbeit zustrichen oder unbrauchbar 
machten. 
Einen seltenen Akt solcher Selbsthilfe hatten sich 
vor einiger Zeit mehrere Rixdorfer Bauhandwerker ge¬ 
leistet. In Rixdorf hatte der Bauunternehmer K. aus der 
Weisestraße auf dem Grundstück Nr. 33 derselben Straße 
ein großes vierstöckiges Wohnhaus errichten lassen, das 
bis auf die noch fehlenden Fensterscheiben in allen seinen 
Teilen fertiggestellt war und am 1. April bezogen werden 
sollte. Vergebens hatten jedoch die an dem Bau betei¬ 
ligten Handwerker, in erster Linie Rohrleger und Tischler, 
auf Begleichung der ihnen kontraktlich zustehenden Geld¬ 
forderungen gedrungen. Sie schritten daher, als alle 
gütlichen Versuche, zu ihrem Rechte zu gelangen, nichts 
fruchteten und in der Befürchtung, außer ihrem Lohn 
auch noch das aufgewendete Material zu verlieren, dazu, 
sich des Materials mit Gewalt zu bemächtigen. So warben 
sie zur Verstärkung ihrer eigenen handfesten Leute eine 
zuverlässige Mannschaft von nahezu 60 Mann, und fuhren 
mit 15 großen Möbel- und Lastwagen der stillen und 
menschenleeren Weisestraße um 6 Uhr morgens vor. 
Hunderte von Fenstern, Türen, sämtliche Gas-, Wasser- 
und sonstige Anlagen, soweit sie nicht direkt innerhalb 
der Mauern sich befanden, wurden herausgerissen und auf 
die Wagen geladen. Selbst die Treppengeländer wan- 
derten mit, und als dann in kaum einer Stunde alles auf¬ 
geladen war, ging es fort. Niemand hatte den Vorfall be¬ 
obachtet; als ein Nachbar den Unternehmer und dieser 
die Polizei des fünften Reviers alarmierte, da war es zu 
spät. Zur Nachahmung kann jedoch das Vorgehen der 
Rixdorfer Bauhandwerker nicht empfohlen werden, wie 
aus nachstehendem Urteil des Düsseldorfer Schöffengerichts 
hervorgeht. 
Eines eigenartigen Hausfriedenbruches hatten sich 
zwei Brüder von dort schuldig gemacht, von denen der 
eine Inhaber einer Bauschreinerei ist. Sie hatten die 
Schreinerarbeiten in dem Neubau eines Kaufmanns in 
Geresheim ausgeführt und zwei Drittel der Forderung 
beglichen erhalten, als die Arbeiten vollendet waren. Als 
sie auf Zahlung des Restbetrages drängten, machte der 
Kaufmann Einwendungen in bezug auf die gelegten Fu߬ 
böden und verlangte zunächst Erledigung seiner Rekla¬ 
mation. Die Brüder machten nun kurzen Prozeß und 
holten an dem Tage, an dem der Kaufmann einziehen 
wollte, frühmorgens mit ihrem Werkmeister etwa 20 Türen 
aus dem Neubau, so daß der Kaufmann nicht einziehen 
konnte. Sie hatten sich deswegen von dem Schöffen¬ 
gericht zu verantworten. Ihre Einrede, daß sie die Türen 
geholt hätten, um sie zu trocknen, ließ das Gericht nicht 
gelten und verurteilte sie zu je zehn Tagen Gefängnis. 
Wir möchten unseren Lesern den Rat erteilen, meint 
die „Leipziger Malerzeitung“, aus der wir obigen Aufsatz 
entnehmen, nicht zu solcher Selbsthilfe zu greifen. Die 
für den Unternehmer gelieferte oder ausgeführte Arbeit 
geht mit der Abnahme in Besitz desselben über und jede 
Verletzung derselben ist Sachbeschädigung und strafbar. 
Ein Malermeister wurde im vorigen Jahre zu 10 Mark 
Geldstrafe verurteilt, weil er das Firmenschild eines Kunden, 
von dem er für das Anmalen desselben keine Bezahlung 
bekommen konnte, im Arger nachts mit schwarzer Öl¬ 
farbe überstrichen hatte. 
Verleihung einer Baumeisterkonzession 
an eine Gesellschaft m. b. H. 
Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1910. 
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 
der Genossenschaft der Bau- und Steinmetzmeister in 
Wien gegen die Entscheidung des Handelsministeriums 
vom 3. März 1909, betreffend die Verleihung einer Bau¬ 
meisterkonzession an die Gesellschaft mit beschränkter 
Haftung für Betonbau Diß & Komp, in Wien zu Recht 
erkannt: 
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. 
Entscheidungsgründe. Die Gesellschaft mit 
beschränkter Haftung Diß & Komp, in Wien hat um die 
Verleihung einer Konzession zur Ausübung des Bau¬ 
meistergewerbes (Standort IX., Liechtensteinstraße Nr. 38) 
angesucht; in dem Gesuche wurde angeführt, daß als 
Geschäftsführer der Gesellschaft der Stadtbaumeister 
Johann Mitschka, welcher die Befähigung für die Aus¬ 
übung des Baumeistergewerbes besitze, handelsgerichtlich 
protokolliert sei, und wurde derselbe auch als Stellver¬ 
treter im Sinne der Gewerbeordnung namhaft gemacht. 
Die Genossenschaft der Baumeister in Wien hat sich 
gegen die Erteilung der Konzession ausgesprochen, 
weil Mitschka der Gesellschaft nicht als Gesellschafter 
angehöre; sie vermeint nämlich, daß im Sinne des §-23a? 
beziehungsweise 14e der Gewerbeordnung auch bei Ge¬ 
sellschaften mit beschränkter Haftung einer der Gesell¬ 
schafter den Befähigungsnachweis erbringen müsse. Diese 
Rechtsanschauung wurde jedoch von den Gewerbebe¬ 
hörden nicht geteilt, die Statthalterei und das Handels¬ 
ministerium waren vielmehr der Anschauung, daß die 
zitierten gesetzlichen Bestimmungen auf Gesellschaften 
mit beschränkter Haftung keine Anwendung finden und 
daß diese letzteren den Vorschriften über den Antritt 
von Gewerben genügen, vrenn sie nach § 3 der Gewerbe¬ 
ordnung einen geeigneten Stellvertreter bestellen. Dem¬ 
gemäß wurde der Gesellschaft die erbetene Konzession 
ausgefertigt. Dagegen richtet sich die vorliegende Be¬ 
schwerde. 
Der Gerichtshof konnte die Beschwerde der Ge¬ 
nossenschaft nicht als begründet ansehen.- Nach § 14e 
der Gewerbeordnung, welcher nach § 209 ibidem auch 
auf solche konzessionierte Gewerbe Anwendung findet, 
zu deren Antritt eine besondere Befähigung gefordert 
wird, hat bei offenen Handelsgesellschaften, welche ein 
derartiges Gewerbe betreiben wollen, mindestens ein 
Gesellschafter, welcher nach dem Gesellschaftsvertrage 
zum Betriebe der Geschäfte oder zur Vertretung der 
Gesellschaft berechtigt ist, den Befähigungsnachweis zu 
erbringen, diese Bestimmung gilt auch bei Kommandit¬ 
gesellschaften bezüglich der persönlich haftenden Gesell¬ 
schafter. Die Bestimmung des § 14 e bezieht sich also 
nur auf offene Handelsgesellschaften, deren charakte¬ 
ristisches Merkmal nach Artikel 85 des Handelsgesetzbuches 
darin besteht, daß bei keinem der Gesellschafter die Be¬ 
teiligung auf Vermögenseinlagen beschränkt ist, und auf 
Kommanditgesellschaften bezüglich der persönlich haf¬ 
tenden Gesellschafter, nicht aber für die nur mit Ver¬ 
mögenseinlagen Beteiligten. Die Gesellschaft mit be¬ 
schränkter Haftung ist weder eine offene Gesellschaft,
	        
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