Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

Seite 4. 
Öberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 1. 
jener Handlung oder Unterlassung der Allgemeinheit 
Schaden und Gefahr drohen würde; wofern dagegen kein 
Fall einer wirklichen Gefahr für die Allgemeinheit vor¬ 
liegt respektive vorauszusehen ist, fehlt die Notwendig¬ 
keit und damit die sittliche und natürliche Berechtigung 
zu einem Eingriffe in die Freiheitssphäre des Einzelnen. 
Insofern jedoch das Gesetz naturgemäß nichts weniger 
sein soll, als die „Notwendigkeit im Gebiete der Freiheit“, 
würde ein Gesetz, welches dem Einzelnen etwas verbietet 
oder von ihm etwas verlangt, durch dessen Geschehen 
oder Unterlassen die Allgemeinheit in ihrem Bestände 
nicht gefährdet wird, sittlich nicht berechtigt sein, denn 
das Recht der Allgemeinheit zu ihrem Schutze in die 
fremde Freiheitssphäre eingreifen zu dürfen, gibt ihr noch 
lange nicht die Berechtigung, willkürlich zu ihrem Vor¬ 
teile den Einzelnen zu schädigen. C. Z-y. 
Lokale Baunotizen. 
Im Interesse des heimischen Bildhauergewerbes. 
Die Genossenschaft der Vergolder, Bildhauer und 
Graveure hat an den Gemeinderat in Linz folgende Zu¬ 
schrift gerichtet: 
Die ergebenst gefertigte Genossenschaft erlaubt sich 
an den hochlöblichen Gemeinderat folgende Bitte zu 
richten: Durch eine äußerst geringe Bautätigkeit in den 
letzten Jahren kamen alle mit dem Baufache in Verbindung 
stehenden oder abhängigen Gewerbe in eine bedrängte 
Lage und am empfindlichsten und mißlichsten zeigt sich 
dies, durch viele Gründe nachweisbar, bei dem Gewerbe 
der Bildhauer und Stukkateure. 
Die bildende Kunst, welche früher im ganzen Lande 
und in Linz in besonderem Glanze auftrat, hat heute 
einen ernsten und sorgenschweren Kampf zu bestehen; 
Stilrichtungen unterbanden die Lebensadern und die 
„Moderne“, welcher der Mut fehlt, ihre Ideen in kost¬ 
baren Stoffen auszusprechen, entnervt manchen, der kennt¬ 
nisreich genug ist, um sich Bildhauer nennen zu können. 
Durch Lauheit und Gleichgültigkeit in guten Zeiten 
brachte die Industrie viele unserer Erzeugnisse an sich; 
wurde unser Gewerbe bei Offertausschreibungen von Stadt 
und Land gänzlich ausgeschaltet und abhängig gemacht 
und bei Ausschreibungen von Professionistenarbeiten der 
Gemeinde ganz vergessen, nicht aber ohne Grund, da ja 
eine hochlöbliche Stadtgemeinde Linz Postamente, Deck¬ 
platten (Römerstraße und Römerberg) in Eigenregie aus¬ 
führen ließ. 
Von den in der Genossenschaft beschäftigten 55 Ge¬ 
hilfen am 1. Juni 1909 sank die Zahl der Beschäftigten 
mit 1. Dezember 1909 auf 24 Gehilfen zusammen. Brave 
und tüchtige Arbeiter mußten entlassen werden, der ver¬ 
bleibende Rest klagt wegen Teuerung und Steuern zu 
einer Zeit, wo der Winter erst beginnt. 
Die ergebenst gefertigte Genossenschaft bittet darum 
einen hochlöblichen Gemeinderat bei Offertausschreibungen 
wieder die lange Jahre hinaus geübte Praxis in Anwen¬ 
dung zu bringen, mit welcher Bildhauer und Stuk¬ 
katurarbeiten direkt ausgeschrieben wurden 
und Arbeiten, wie die genannten am Römerberg, seinem 
Gewerbestand zukommen zu lassen. 
Einer gütigen Erledigung ihrer Bitte gewärtigend, 
zeichnet ergebenst 
Für die vereinigte Genossenschaft der Vergolder, Bild¬ 
hauer und Graveure in Linz: 
Hans Cyzerle m. p., Bildhauer u. Stukkateur. 
Eine weitere Eingabe an eine Behörde lautet: 
Die ergebenst gefertigte Genossenschaft der Bild¬ 
hauer, Vergolder und Graveure in Linz, bittet um gütige 
Berücksichtigung ihres nachstehenden Ansuchens. 
Durch Jahre hindurch hatten die Angehörigen der 
fertigenden Genossenschaft in Bangen geharrt des Neu¬ 
baues des k. k. Bezirksgerichtes in Urfahr und in be¬ 
drängter Lage, verursacht durch eine äußerst geringe 
Bautätigkeit, nach Entlassung von über 50 °/o ihrer Ge¬ 
hilfen in Erfahrung gebracht, daß Wiener Bildhauerfirmen 
sich um die Bildhauer- und Stukkaturarbeiten für den an¬ 
geführten Bau ernstlich bewerben. 
Konnte das heimische Gewerbe, welches ohnehin 
durch Stilrichtung unterbunden wurde, nicht teilhaftig 
werden der Wohltat, welche die Offertausschreibung und 
Vergebung der genannten Arbeiten für die Winterszeit 
mit sich gebracht hätte, so wirkt das Bekanntwerden, 
daß diese Arbeiten möglicherweise Wiener Bildhauern zu¬ 
geschlagen werden können, geradezu alarmierend. 
Oberösterreich und Salzburg wird so gerne in einem 
Atem genannt und doch konnte es anderseits in letzterer 
Zeit geschehen, daß die Bildhauerarbeiten beim Neubaue 
des Justizgebäudes in Salzburg an eine Wiener Bild¬ 
hauerfirma vergeben wurde, trotzdem, sowohl was Quali¬ 
tät, Preise und Leistungsfähigkeit anbelangt, Linzer Bild¬ 
hauer nicht im geringsten den Wiener Firmen nachstehen. 
Die ergebenst gefertigte Genossenschaft glaubt die 
Gründe zu kennen, warum dies geschehen ist und mög¬ 
licherweise sich wiederholen könnte und bittet daher um 
gütige Unterstützung und Förderung seines Ansuchens, 
daß die Bildhauer- und Stukkaturarbeiten, vom 
Neubaue des k. k. Bezirksgerichtes inUrfahr, 
in Anbetracht der tristen Geschäftslage der fertigenden 
Genossenschaftsangehörigen in möglichst naher Zeit 
und nur für heimische, d. i. Linzer Firmen ausge¬ 
schrieben und vergeben werden. 
Für die vereinigte Genossenschaft der Vergolder, Bild¬ 
hauer und Graveure in Linz: 
Hans Cyzerle m. p., Bildhauer u. Stukkateur. 
* 
# * 
Dienstag den 25. Jänner 1910, abends halb 8 Uhr, 
findet die G enossen Schafts Versammlung der 
obigen Genossenschaft im Sektionszimmer des Städtischen 
Rathauses, II. Stock, mit folgender Tagesordnung statt: 
1. Vorlage des Rechenschaftsberichtes, 2. Ausschu߬ 
wahlen, 3. Anträge und Anfragen. Die geehrten Ge¬ 
nossenschaftsmitgliederwerden freundlichst ersucht, diesen 
Tag sich frei zu halten und zuversichtlich sich ein¬ 
zufinden, damit in Anbetracht wichtiger Berufsfragen die 
einstimmige Beschlußfähigkeit zu erzielen ist. Bei unge¬ 
rechtfertigter Abwesenheit wird von den Säumigen eine 
Ordnungsstrafe von fünf Kronen unnachsichtlich 
eingehoben. 
Gleichgültigkeit gegen die Fachpresse. Jeder Menseln 
der nur einen flüchtigen Blick auf die rastlosen Bestrebungen 
wirft, welche sich im Gebiete der Wissenschaften, der Tech¬ 
nik und des industriellen gewerblichen Lebens überhaupt 
jetzt allenthalben kund tun, und durch welche besonders 
in der neuesten Zeit so viele nützliche und erfolgreiche 
Erfindungen, so viele Verbesserungen in jedem einzelnen 
Fache der mannigfaltig verzweigten Produktionskräfte auf¬ 
tauchten — den muß es in der Tat befremden, daß es 
heute noch Menschen gibt, welche an allen dem rührigen 
Treiben ebensowenig als an den Fortschritten der Wissen¬ 
schaften, der Mutter aller Künste und Gewerbe — einigen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.