Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

Seite 2. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Nr. 1. 
nur durch erfahrene, gewissenhafte Unternehmer aus¬ 
führen zu lassen und sollte dieser Grundsatz insbesondere 
für Kanalausführungen nicht übersehen werden, da gerade 
hiebei die größte Sorgfalt auf Auswahl der Materialien 
und die Ausführung selbst verwendet werden muß, indem 
die Dichtigkeit der Kanalwandungen eine Hauptbedingung 
in hygienischer Beziehung ist, während von der Glätte 
der Kanalwandungen die Leistungsfähigkeit der Kanäle 
abhängt, und jede Ausbesserung oder Rekonstruktion 
nicht nur mit großen Kosten, sondern auch mit be¬ 
deutenden Verkehrsstörungen und Schwierigkeiten in der 
Ableitung der Kanalwässer verbunden ist. 
Die Aushebung der Baugrube erfordert, insbesondere 
bei zu Abrutschungen geneigtem Boden, bei reichem 
Wasserzufluß, in angeschütteten Straßen oder in der 
Nähe mangelhaft fundierter Häuser, die allergrößte, auf 
Erfahrung gestützte Aufmerksamkeit und sollten bei 
gefährlichen Stellen zur Vermeidung aller Erschütterungen 
ausschließlich eiserne Schraubensprenger zur Befestigung 
der Pölzung verwendet werden. 
Die Anfertigung des Betons, wie das Einstampfen 
desselben soll von geschulten Arbeitern ausgeführt werden, 
und speziell ist das, je nach Umständen notwendige 
kleinere oder größere Wasserquantum zur Mischung 
richtig zu bemessen. 
Von Wichtigkeit ist es auch, die Größe der Mischungen 
nach den verschiedenen lokalen Verhältnissen richtig zu 
bemessen, damit nicht mehr Beton vorbereitet ist, als 
die Arbeiter unten im Kanäle innerhalb der Abbindezeit 
des verwendeten Zementes sorgfältig verarbeiten, also in 
möglichst dünnen, horizontalen Schichten ein stampfen 
können. Nur bei Einstampfung des Gewölbes sind, ho¬ 
rizontale Schichten zu vermeiden und ist stets von beiden 
Seiten gleichmäßig in tangentialer Richtung zu stampfen^ 
während der Gewölbsschluß am Scheitel dann nur mittelst 
horizontaler Stampfung hergestellt werden kann. 
Bei Kanalausführungen in stark wässerigem Grunde 
ist die größte Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß der 
Beton, bevor er erhärtet, nicht vom Wasser ausgewaschen 
wird, da sich sonst in der Betonmasse Wasseradern 
bilden, welche die Dichtigkeit derselben bleibend schädigen. 
Am vorteilhaftesten ist es in derartigen Fällen, gleich 
oberhalb der festen Sohlenstücke in den herzustellenden 
Kanal Wandungen eine dem Wasserzudrang entsprechende 
Anzahl Löcher auszusparen, durch welche das hinter 
den Wandungen befindliche Wasser ruhig abfließen kann, 
ohne durch Stauung und vermehrten Druck die oberhalb 
liegenden Wandungen schädigen zu können. 
Sind dann die Wandungen so weit erhärtet, daß sie 
ohne Schaden etwaigen Druck aufnehmen können, dann 
werden diese Löcher mit reinem Portlandzement ge¬ 
schlossen. 
Die Ausrüstung der Gewölbe sollte nicht früher er¬ 
folgen, als bis eine mindestens 060 Meter hohe Erd- 
anschiittung das Gewölbe bedeckt, um durch das Ein¬ 
stampfen dieser ersten Erdschichten das in der Erhärtung 
begriffene Gewölbe nicht zu sehr zu erschüttern. Die 
ganze Anschüttungsmasse soll zur Verhinderung nach¬ 
träglicher Setzungen in dünneren Schichten gut gestampft 
werden. 
Was die Reinigung und Erhaltung der Kanäle an¬ 
belangt, so haben wir hier folgendes anzuführen. 
Zur Überwachung und Untersuchung der Kanäle, 
zur Beseitigung eventueller Ablagerungen, werden in 
Entfernungen von 100—200 Meter auf oder neben dem 
Kanäle, mit Steigeisen zum sicheren und bequemeren 
Hinabsteigen versehene Einsteigschäohte in viereckiger, 
runder oder ovaler Grundrißform von 0'50—060 Meter 
Durchmesser angelegt. Diese Schächte dienen gleichzeitig 
zur Ventilation und werden selbe manchmal auch, nur 
mit Gittern abgedeckt, direkt als Wassereinläufe ver¬ 
wendet. 
Ein gut angelegtes und solid in Beton ausgeführtes 
Kanalnetz reinigt sich nun von selbst, wie es auch in 
seinen unterirdischen Teilen keinerlei Erhaltung bean¬ 
sprucht. — Besondere Sorgfalt wolle nur der Reinigung 
der Schlammkästen, welche sich am vorteilhaftesten mit 
der Straßenreinigung verbinden läßt, zugewendet werden, 
damit keine Verstopfung in den Verbindungsröhren 
zwischen Schlammsammler und Kanal stattfinde. 
Bei nachträglichen Einmündungen von Hauskanälen 
und Dachrinnen ist mit aller Strenge auf solide Herstellung 
der Anschlußstelle und Wiederherstellung des Putzes zu 
achten. K. W. 
Eine wichtige Frage. 
Da unsere neuen Baugesetze dermalen noch in Ver¬ 
handlung stehen und daher noch modifiziert werden 
können, so wirft sich bei vielen Grundbesitzern die Frage 
auf, ob dieselben von Seite der Behörden verpflichtet 
werden können, die Straßenterrains unentgeltlich abzu¬ 
treten. Diese Frage pflegt von Seite der Behörden ge¬ 
wöhnlich dadurch zum Austrag gebracht werden, daß 
dem Grundstückbesitzer die Aufführung von Neubauten 
oder Bauerweiterungen auf seinem Grundstücke ent¬ 
weder bis nach geführtem Nachweis, daß das fragliche 
Straßenterrain abgetreten sei oder bis nach ausgeführter 
Pflasterung der Straße, untersagt, oder daß ihm wohl 
gar die unentgeltliche Abtretung zur Bedingung der zu 
erteilenden Baubewilligung gesetzt wird. In der Regel 
sind dann die Vorbereitungen für den beabsichtigten Bau 
durch Abschluß des Bauvertrages, Erwerb von Bau¬ 
materialien, vielleicht gar schon durch Aufnahme eines 
Darlehens so weit fortgeschritten, daß die unentgeltliche 
Abtretung des Straßenterrains für den Grundstückbesitzer 
zum „Muß“ wird, was ihn veranlaßt, sich auf die frag¬ 
liche Bodenabtretung einzulassen und somit das beab¬ 
sichtigte Ziel der Behörde — die unentgeltliche Grund¬ 
abtretung — erreicht wird. 
Es fragt sich nun aber: Liegt eine Rechtliche oder 
sittliche Pflicht des Grundstückbesitzers zur Abtretung 
des Straßenterrains vor? Woraus weiter die Frage ent¬ 
steht: Hat das behördliche Verlangen der unentgeltlichen 
Abtretung von Straßenterrains einen gesetzlichen oder 
auch nur einen sittlichen Hintergrund? 
Wir glauben hierauf nur mit den rechtsphilosophi¬ 
schen Gesichtspunkten antworten zu sollen: Das erste 
Grundrecht ist die Freiheit, also die Ermächtigung, zu 
tun und zu lassen, was einem beliebt. Diese Freiheit 
darf jedoch so weit eingeschränkt werden, als anderwärts 
sie in die Freiheitssphäre anderer eingreifen würde, weil 
naturgemäß die Allgemeinheit ein größeres Recht auf 
Schutz ihrer Existenz als der Einzelne ein solches auf 
ungezügelte Durchführung seines Willens hat. Liegt also 
eine sittliche, im Naturrechte begründete Berechtigung 
vor, in die Freiheitssphäre des Einzelnen dadurch ein¬ 
zugreifen, daß man ihn weder zu einer Handlung zwingt, 
noch zu einer Unterlassung veranlaßt, so darf dieser 
Eingriff nur dann geschehen, wenn durch Unterbleiben
	        
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