Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

XV. Jahrgang, Nr. 24. 
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Linz, 15. Dezember 1910. 
Öberösterreichische Banzeitnng 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ der „Genossenschaft der Baumeister Oberösterreichs“. 
Redaktion und Administration: Buchdruckerei C. KOLNDORFFER, LINZ, Pfarrplatz Nr. 17. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
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Erscheint am 1. und IS. 
Jedes Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufg?legtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Pfarrplatz Nr. 17, ferner bei 
allen größeren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Über das moderne Bestechungssystem. — Wichtiges über die 
Unterböden des Linoleums. — Herstellung gebrannter Ziegel oder Kunst¬ 
steine unter Verwendung von Ton als Bindemittel. — Lokale Baunotizen. — 
Offert-Verhandlungen. — Patentliste. — Bücherschau. — Angesuchte Bau- 
lizensen in Linz. — Inserate. — Jahres-Register. 
Ueber das moderne Bestechungssystem. 
Im Handel und Gewerbe bürgern sich schwere mora¬ 
lische Mißstände ein, an denen nicht lange mehr achtlos 
vorübergegangen werden darf, wenn unser wirtschaftliches 
Leben nicht ernsten Schaden leiden soll. Der unheilvollste 
dieser Mißstände ist ohne Zweifel die in vielen Branchen 
bereits planmäßig geübte Bestechung von Angestellten 
zur Erlangung von Aufträgen, 
Die einzelnen Lieferanten hätten, wenn sich das Ge¬ 
schäft in rein mechanischer Weise abspielte, lediglich nur 
mit drei Faktoren zu rechnen: nämlich mit Qualität der 
Ware, Preisstellung und Lieferfrist. Der Leistungsfähigste 
würde jeweilig den Auftrag erhalten. Es ist ohne weiteres 
klar, daß sich die Dinge in Wirklichkeit nicht so ab¬ 
spielen können, weil in der Regel eine Menge anderer 
Faktoren einen entscheidenden Einfluß ausüben, Vor 
allem sind es persönliche Beziehungen aller Art, welche 
das Geschäft fördern oder hindern. Der langjährige Liefe¬ 
rant wird beispielsweise auch einen Auftrag erhalten, 
wenn seine Preise teurer sein sollten als die seiner Kon¬ 
kurrenten, weil man die alten erprobten Verbindungen 
nicht gerne aufgibt, zumal der Lieferant die Bedürfnisse 
genau kennt und man einem befreundeten Reisenden 
oder Vertreter nicht einfach die Türe weisen kann, wenn 
ein neuer Wettbewerber auf der Bildfläche erscheint. 
Niemand wird leugnen wollen, daß es ein Unglück für 
das Geschäftsleben wäre, wenn alle persönlichen Be¬ 
ziehungen solcher Art durch das nackte Interesse ge¬ 
sprengt würden und der Käufer seine Aufträge in bru¬ 
taler Weise ausschließlich dem in den Schoß würfe, der 
ihm die vorteilhaftesten Preise und die koulantesten Kon¬ 
ditionen stellte. 
An dem Submissionsverfahren des Staates und den 
ihm nachgeahmten privaten Submissionen der Großindu¬ 
strie kann man leicht studieren, zu welchen Folgen es 
führt, wenn ein Minimum der Ware und der billigste 
Preis ausschlaggebend für die Erlangung von Lieferungen 
wird. Die Qualität der Waren wird beständig bis zur 
äußersten Grenze verschlechtert und viele Existenzen 
gehen durch ihre verlustbringenden Lieferungen dem 
wirtschaftlichen Ruin entgegen. 
Die moderne Entwicklung des Erwerbslebens, welche 
vor allem zur Bildung von Großbetrieben aller Art ge¬ 
führt hat, macht es heutzutage vielfach den leitenden 
Persönlichkeiten unmöglich, sich selbst um den Einkauf 
der hunderterlei Artikel zu kümmern, welche gebraucht 
werden. Man muß wohl oder übel Angestellte — Bureau¬ 
beamte, Werkführer, Meister — mit dem Einkauf be¬ 
trauen. 
Die natürliche Folge ist, daß alles Sinnen und 
Trachten darauf gerichtet ist, die Gunst dieser Ange¬ 
stellten sich zu erwerben, von deren Gnade die Aufträge 
nunmehr abhängen. Glücklicherweise gibt es unter den 
Angestellten außerordentlich zahlreiche, durchaus ehren¬ 
hafte Persönlichkeiten, an denen alle Versuche wirkungs¬ 
los abprallen. 
Aber es gibt auch wieder viele wurmstichige Exi¬ 
stenzen, welche ihre günstige Position als entscheidende 
Instanz weidlich ausnützen, um sich persönliche Vorteile 
aller Art zu sichern. Es ist erstaunlich; wie rasch sich 
jeweilig die unlauteren Elemente unter den Einkäufern 
und Verkäufern zusammenfinden. Wie der Magnet das 
Eisen, wie ein hykroskopisches Salz die Feuchtigkeit, 
also ziehen sich solche Naturen an, und jeder, der in 
strengster Rechtlichkeit und Vertrauenswürdigkeit das 
wahre Heil des Erwerbslebens erblickt,, kann nur mit auf¬ 
richtiger Trauer die Wirkungen von so verhängnisvollen 
Wahlvormundschaften verfolgen. 
Die Frage drängt sich nun auf die Lippen, wie dem 
System der Bestechung von Angestellten zu begegnen 
ist, das unser wirtschaftliches Leben schädigt und ver¬ 
giftet. Ein Universalrezept gibt es natürlich nicht. 
Wichtig ist vor allem, daß die Geschäftsinhaber die 
höchste Sorgfalt auf die spezielle Auswahl der Leute 
verwenden, die mit dem Einkauf betraut sind oder den 
entscheidenden Einfluß auf die Erteilung von Aufträgen 
haben. 
Nur charakterfeste Personen sollten an so verant¬ 
wortliche Posten gestellt werden. Angestellte, die den 
Le bemann hQrauskehren, die an Sport, Spiel, Ge¬ 
lagen und Liebschaften zuviel Geschmack Anden, 
die infolge von Schulden oder drückenden Pami- 
lienVerhältnissen in Sorgen leben, sollte man nicht 
der Versuchung aussetzen, mit Vertretern und Reisenden 
zu verkehren, denen jedes Mittel recht ist, um Aufträge 
zu erhalten. 
Was Besteohungsversuche bei Beamten 
anbelangt, so ist in erster Reihe die Fach- 
presse berufen, diese Schandtat in die Oef- 
fentlichkeit zu bringen, um den Versucher 
seiner verdienten gerichtlichen Strafe zuzu¬ 
führen. d. r. 
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